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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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leise. »Du warst ungefähr fünf Jahre alt. Du konntest dich überhaupt nicht bewegen. Du hast mit gekrümmten Händen auf dem Boden gesessen.«
    Es war mir peinlich, dass Emma wusste, wie ich früher ausgesehen hatte.
    »Habe ich etwas gesagt?«
    »Ja. Du hast gesagt, du würdest gern mächtig sein. Mächtig wie ein König. Du wolltest eine große Armee haben und Schlachten bestehen.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde.
    »Ich habe immer von solchen dämlichen Kriegen geträumt«, sagte ich.
    »Du warst sehr lieb.«
    »Kaum. Ich war ein Tyrann. War das alles, was ich gesagt habe?«
    Emma schüttelte den Kopf und sah mich traurig an.
    »Du hast auch gesagt, dass du glaubst, du bist ein geborener Versager. Und dass du glaubst, das sei dein Schicksal, weil du eben so geboren bist.«
    Hastig nahm ich meinen Löffel und fing zu essen an, nur um Emma zu zeigen, dass es mich nicht kümmerte, was sie herausgefunden hatte. Sie beobachtete mich.
    »Und was hast du dazu gesagt?«, wollte ich wissen.
    »Ich habe gesagt, dass hier vielleicht alles ganz anders ist. Dass du in einer anderen Welt selbst entscheiden kannst, anders zu sein. Und dass du keine Angst haben sollst …«
    Da schlug ich mit der Faust auf den Tisch.
    »Ich hasse diese Schule!«, sagte ich entschieden.
    Emma lächelte immer noch.
    »Wahrscheinlich ist es nie einfach, wenn Bruder und Schwester in derselben Klasse sind«, sagte sie. Dann nahm sie ihren Löffel und aß.

14. Kapitel
    A m nächsten Tag machte der Unterricht viel mehr Spaß. Earl Hawkin war guter Laune, er gab Emma und mir Pfeile und Bogen. Die Bogen bestanden aus Weidenholz und Sehnen, die Pfeile hatten Spitzen aus Gold, gemischt mit Meteoreisen. »Damit sie weiter fliegen«, erklärte Earl Hawkin.
    Der Gedanke der Unterrichtsstunde war, dass Emma und ich uns gegenseitig jagen sollten. Wir sollten so tun, als handle es sich um einen echten Kampf auf Leben und Tod. Zuerst schickte Earl Hawkin Emma in den Wald und ich musste sie verfolgen. Dabei sollten wir uns zunutze machen, was wir am Tag zuvor gelernt hatten: Emma sollte ab und zu eine Blume pflücken und ihr sagen, in welche Richtung sie lief. Ich musste diese Blumen finden und aus dem, was sie »sagten«, die nötige Information »heraushören«. Hatte ich Emma gefunden, sollte ich mich anschleichen und einen Pfeil in ihre Richtung abschießen. Emma dagegen sollte spüren , wenn der Pfeil kam, und laut »Pfeil!« schreien.
    Danach würden wir das Ganze umgekehrt machen.
    So im Wald zu spielen war ein einziges Vergnügen. Am Vormittag verrieten mir Emmas Blumen noch nichts, aber irgendwann am Nachmittag ahnte oder spürte ich, in welche Richtung Emma gelaufen war, und ich nahm an, dass es mit ihren gepflückten Blumen zu tun hatte. Nachdem ich sie sechsmal nicht gefunden hatte, war ich beim siebten Mal endlich erfolgreich: Ich sah, wie sie sich zwischen wilden Rosen versteckte. Sie kehrte mir den Rücken zu, sprang aber sofort auf, kaum dass ich den Pfeil auf sie gerichtet hatte, und schrie: »Pfeil!« Wie aus dem Nichts erschien Earl Hawkin und applaudierte uns.
    »Zwei Punkte gehen an Toby, weil er seine Jagdbeute aufgespürt hat«, sagte er. »Drei Punkte an Emma, weil sie gemerkt hat, dass der Pfeil kommt.«
    Emma war ein viel besserer Jäger als ich, sie hatte, noch ehe Earl Hawkin wieder auftauchte, ihren Pfeil auf meinen Rücken gerichtet. Zu mir sagte er nur brummig: »Du musst dir mehr Mühe geben«, denn ich hatte die Bedrohung durch den Pfeil nicht gespürt.
    Doch in diesem Augenblick machte mir nicht einmal Earl Hawkins leiser Tadel etwas aus. Es tat so gut, im Wald, in der freien Natur zu sein, mit dreckigen Händen und Knien und mit Blättern und Zweigen im Haar. Eine ganze Woche lang übten wir dieses Jagdspiel und am Ende waren wir schneller und kräftiger geworden. Unsere Muskeln wurden stärker vom Spannen der Bogensehne und von Tag zu Tag konnten wir besser zielen. Earl Hawkin sagte, wegen unseres Fel-Anteils hätten wir beide eine Begabung für solche Spiele, und es sei gut, dass wir unsere Fel-Kräfte nun endlich trainieren könnten.
    »Ihr benutzt jetzt einen Teil eures Inneren, der bisher eingesperrt war wie in einem Käfig«, erklärte er uns am Ende eines langen Jagdtages im Wald.
    »Haben wir diese Kräfte sowieso oder lernen wir sie von Ihnen?«, fragte Emma.
    »Teils, teils«, antwortete Earl Hawkin. »Das Jerlamar kann man nicht erlernen, und doch kann man seine Fähigkeiten nicht nutzen, ohne zu lernen.«
    In der

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