Das Vermächtnis von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
erlebt hatte.
Sabrina setzte sich neben Sheila und legte einen Arm um ihre Schulter.
»Es ist ja nur für eine Woche«, sagte sie. »Auf Amrum ist es bestimmt schön. Du magst doch das Meer. Jetzt im April ist das Wasser sicher noch zu kalt, um darin zu baden. Aber du kannst am Strand spazieren gehen … Bestimmt wird der Wind deinen Kummer wegpusten.«
»Aber ich kann mich nicht mehr in einen Delfin verwandeln«, nuschelte Sheila in ihre Hände.
»Na ja … Das wäre ja wohl auch ein ziemlicher Schock für deine Klasse, wenn sie dir dabei zusehen würde«, meinte Sabrina.
Sheila musste unwillkürlich kichern, als sie sich die Situation vorstellte. Und obwohl sie nicht wirklich erleichtert war, entspannte sie sich etwas. Sabrina streichelte ihren Rücken.
»Komm, jetzt lass uns packen. Wenn du willst, helfe ich dir. Möchtest du dieses Top mitnehmen?« Sie hielt ein grün gestreiftes T-Shirt in die Höhe.
Sheila wischte sich über die Augen und nickte. Vielleicht hatte ihre Mutter ja recht und die Fahrt nach Amrum würde sie tatsächlich von ihrem Kummer ablenken. Sheila versuchte, den Gedanken an Mario auszublenden, und konzentrierte sich darauf, welche Sachen sie mitnehmen wollte. Eine halbe Stunde später war der Koffer prall gefüllt und Sheila schleppte ihn in den Flur. Dann stopfte sie noch ein paar Dinge in den Rucksack, die sie für unterwegs brauchte, darunter zwei dicke Taschenbücher und eine Flasche Wasser.
Etwas später verließ sie mit Sabrina und Gavino die Wohnungund ging mit ihnen zur U-Bahn-Station Lutterothstraße. Von dort aus fuhren sie einige Stationen bis zu Sheilas Schule. Der Bus, der die Klasse nach Amrum bringen würde, stand schon auf dem Parkplatz und war umringt von Müttern und Vätern, die sich von ihren Kindern verabschiedeten und ihnen noch gute Ratschläge mit auf den Weg gaben.
Sheila merkte, dass Gavino neugierige Blicke auf sich zog. In Sheilas Klasse munkelte man, dass Frau Hermes sich aus dem letzten Sommerurlaub einen jungen Liebhaber mit nach Hamburg gebracht hatte. Gavino sah viel jünger aus als Sabrina, eher wie Sheilas Bruder. In den vierzehn Jahren, die er als versteinerter Delfin auf dem Meeresgrund verbracht hatte, war er nicht gealtert. Sheila hatte keine Lust, ihre Mitschüler darüber aufzuklären, wie es sich wirklich verhielt und dass Gavino ihr leiblicher Vater war. Es reichte, wenn sie wussten, dass Gavino jetzt bei Sheila und ihrer Mutter wohnte und Sabrinas Lebensgefährte war.
Sheila gab ihren Koffer dem Fahrer, der ihn im Bauch des Busses verstaute. Dann umarmte sie ihre Eltern, stieg ein und suchte sich einen Platz. Dabei wurde ihr wieder einmal bewusst, dass sie in ihrer Klasse eine Außenseiterin war. Niemand forderte sie auf, sich neben sie zu setzen. Schließlich ließ sich Sheila auf einem leeren Zweiersitz nieder. Auch gut! Dann hatte sie wenigstens Platz für ihren Rucksack.
Kristin, die neben Laura saß, drehte sich nach Sheila um und grinste sie an. »Der Freund deiner Mutter sieht gut aus!«
Sheila lächelte kurz, dann blickte sie aus dem Fenster, um ihren Eltern zuzuwinken.
Eine Viertelstunde später saßen alle Jungen und Mädchen im Bus, und auch Frau Kolb, die Klassenlehrerin, und Herr Sumpf, der Biolehrer, hatten ihre Plätze eingenommen. Der Sitz neben Sheila war immer noch leer.
Der Busfahrer ließ den Motor an, ein Ruckeln ging durch das Fahrzeug und die Schüler schrien aufgeregt durcheinander, weil es nun endlich losging. Der Bus rollte vom Parkplatz.
Sheila winkte ein letztes Mal, dann lehnte sie ihren Kopf zurück und schloss die Augen. Sie horchte in sich hinein, ob sie sich auf die Reise freute.
Nicht wirklich, dachte sie. Dann blinzelte sie und stellte sich vor, wie es wäre, wenn jetzt Mario neben ihr säße. Sie versuchte, sich sein Gesicht ins Gedächtnis zu rufen, sein blondes Haar und seine Augen, doch sie schaffte es nicht, sich an die genauen Züge zu erinnern. Sie sah nur vage seine schlaksige Gestalt vor sich, die über den Strand lief, ins Wasser watete und sich dort in einen Delfin verwandelte …
Sheilas Magen krampfte sich zusammen. Nie wieder. Sie würde sich nie wieder verwandeln können und nie wieder würden sie zusammen schwimmen … Tränen brannten in ihren Augen und ihre Kehle wurde eng. Nein, sie wollte nicht weinen, nicht hier im Bus, vor all den anderen. Mühsam bekam sie sich unter Kontrolle, dann blickte sie aus dem Fenster, um sich abzulenken.
Bald hatten sie Hamburg hinter sich
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