Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
befand, verschlug ihm die Sprache.
»Keine Sorge«, sagte der Mann, und sein missgestaltetes Gesicht verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Dein Freund wird nicht lange fortbleiben. Die Wundärzte sind nicht die besten, aber sie sind schnell. Er wird sicher bald zurückgebracht – wenn er nicht gestorben ist, natürlich.«
»Na, vielen Dank auch«, murmelte Bek. Bevor er noch weitere Fragen stellen konnte, erklang das Geräusch mehrerer Stiefelpaare und kam jeder weiteren Unterhaltung zuvor.
3
Alle in der Zelle lauschten gespannt den sich nähernden Schritten. Bek hoffte inständig, dass es die Wachen waren, die Jez aus dem Roten Zimmer herbrachten, aber das war eher unwahrscheinlich. Die Schritte kamen aus Richtung der Arena, und nach den spärlichen Auskünften, die Bek gesammelt hatte, musste sich der Wundraum irgendwo am anderen Ende des Korridors befinden.
Vier Männer erschienen vor der Zelle und das erwartungsvolle Schweigen der Gefangenen wich aufgeregtem Geflüster. Zwei der Männer trugen die gewöhnlichen schwarzen Uniformen der Wachen, aber die beiden anderen, die zwar stämmig genug gebaut waren, um ebenfalls Aufseher zu sein, waren in bunte Gewänder aus feinstem Stoff gekleidet. Sie hatten nichts mit den Uniformierten gemein außer ihrer äußerst muskulösen Gestalt, die nach intensiver körperlicher Ertüchtigung aussah. Bek fühlte sich augenblicklich daran erinnert, wie der mächtige Barrock durch die Arena stolziert war, und ihm war instinktiv klar, dass die beiden zu den ausgebildeten Kämpfern gehörten.
Die Wachen öffneten die Tür, und Bek war nicht sonderlich überrascht, als sie sich an ihn wandten.
»Du … Thrandorier – komm mit.«
Es hatte keinen Sinn, darüber zu diskutieren. Die übrigen Gefangenen traten beiseite, als Bek so selbstbewusst, wie er konnte, durch die Tür schritt. Vielleicht war dies die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte. Wenn nur Jez bei ihm gewesen wäre. Gemeinsam hätten sie eine größere Chance, von
hier zu entkommen, und Bek zögerte, einen Fluchtversuch ohne seinen Freund zu unternehmen.
»Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, brummte eine der Wachen in dem vergeblichen Versuch, bedrohlich zu klingen.
Bek beachtete ihn nicht. Ihm war bewusst, dass er seit dem heutigen Tag einen weitaus gefährlicheren Ruf genoss als jede sich noch so groß aufbauende Wache. Die Gefangenen schwiegen und machten nur ein paar abfällige Geräusche in Richtung der Wache. Bek gab sein Bestes, gelassen und gemächlich aus der Zelle zu schreiten. Der Aufseher entschied, die Gefangenen wegen ihrer Respektlosigkeit besser nicht zurechtzuweisen. Stattdessen verschloss er hinter Bek die Tür, reihte sich bei den anderen ein und die Gruppe lief durch den Gang zurück.
»Wohin gehen wir?«, fragte Bek den edel gewandeten Kämpfer zu seiner Rechten. »Werde ich bald wieder in der Arena stehen?«
Bek hatte sich bemüht, seine Worte kalt und anteilslos klingen zu lassen und alle Aufregung aus seiner Stimme zu verbannen.
»Geduld. Du wirst schon sehen«, antwortete der Mann grinsend.
Bek rätselte, ob das Lächeln des Kämpfers bedeutete, dass seine Täuschung gewirkt und er die Anerkennung des Mannes für seine nüchterne Haltung gewonnen hatte, oder ob er nicht eher im Stillen ausgelacht wurde. Was auch immer der Fall war – Bek entschloss sich, keine weitere Unterhaltung zu führen, bis er nicht wusste, worum es eigentlich ging.
Auf dem Weg durch den Gang und über die Treppen suchte Bek die Umgebung nach Fluchtmöglichkeiten ab. Ihm fielen keine Schlupflöcher ins Auge, aber in der Hoffnung, doch noch eine Schwachstelle zu entdecken, saugte er jedes vorbeiziehende Detail in sich auf.
Die Mauern des Gangs wirkten dick und stark. Sie waren
aus großen Sandsteinblöcken gefertigt, die nicht geglättet, sondern nur grob behauen worden waren. Trotzdem fügten sie sich perfekt ineinander. Fackeln hingen in regelmäßigen Abständen an den Wänden und hatten die Mauern geschwärzt. Die flackernden orangefarbenen Flammenzungen hatten fest gebackene, rußig schwarze Brandflecken hinterlassen. Zu beiden Seiten des Korridors tauchten ab und zu Türen und Eisengitter auf. Einige führten in weitere Zellen, und die Gefangenen darin sahen interessiert zu, wie die kleine Gruppe vorbeizog. Bei anderen Wandöffnungen aber ließ sich nicht sagen, was hinter ihnen lag -, wenn sie überhaupt irgendwohin führten. Bek konnte nur vermuten, dass sich dahinter weitere Zellen befanden.
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