Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
einem schnellen Blick. Der Mann war missgebildet, anders konnte man es nicht nennen. Die gedrungene Gestalt mit dem kugeligen Bauch und einem schrecklich krummen Rückgrat – wodurch der Kopf gezwungen war, zwischen den Schultern nach unten zu zeigen – hatte nur entfernte Ähnlichkeit mit einem Menschen. Die Haare, die an verschiedenen Stellen scheinbar
willkürlich aus dem Schädel sprossen, verliehen dem Mann ein ungepflegtes Aussehen, obwohl er offenbar alles tat, um einigermaßen vorzeigbar zu wirken. Seine auf dem Schoß gefalteten Hände beeindruckten durch sorgsam manikürte Fingernägel und die ganze Gestalt umwehte ein feiner Duft.
»Also?«, fragte der Mann ungeduldig. »Bist du nun ein Thrandorier oder nicht?«
»Ja … Herr«, antwortete Bek, der unsicher war, wie er den komischen kleinen Mann anreden sollte.
Der grinste spitzbübisch, während er diese Tatsache im Geiste abzuwägen schien.
»Du kämpfst gut, Thrandorier. Wie heißt du?«
»Bek, Herr.«
»Bek … hmmm. Das geht überhaupt nicht. Viel zu einfach und nicht dramatisch genug. Das müssen wir als Erstes ändern. Kämpfer mit undramatischen Namen bringen nichts. Wir brauchen etwas mit Rhythmus, etwas, was die Menge rufen kann. Nein, Bek geht gar nicht.«
Der kauzige kleine Mann blickte Bek nachdenklich an, murmelte halb verständliche Namen vor sich hin und schüttelte jedes Mal unbefriedigt den Kopf. Dann entschloss er sich offenbar, das Namensproblem noch eine Weile ruhen zu lassen, und stellte sich erst einmal vor.
»Ich bin Garvin, der Kampfleiter in dieser Arena. Ich möchte dir ein Angebot machen, Bek.« Er hielt bedeutsam inne. »Willst du Gefangener bleiben, Bek?«, fragte er dann wie beiläufig, als seien ihm die Worte einfach so herausgerutscht.
»Nein, Herr. Das will ich nicht«, erwiderte Bek entschlossen.
»Hast du mal daran gedacht, professioneller Kämpfer zu werden? Ich meine, nicht Soldat, denn ich sehe schon, du hast eine militärische Ausbildung genossen, und könnte schwören, dass du heute nicht zum ersten Mal mit einem Schwert getötet hast. Nein, ich meine, ein richtiger, professioneller
Kämpfer. Jemand, der seine Kunst zum Vergnügen anderer vorführt und dafür gut bezahlt wird. Stell dir vor, Bek … Tausende Zuschauer, die lautstark fordern, dich kämpfen zu sehen, und immer wieder deinen Namen rufen, bis du den Sandplatz betrittst. Sie werden dir huldigen, wenn du in glänzender Rüstung mit Gleichgesinnten die Klingen kreuzt. Es ist ein ruhmreicher Beruf, Bek, und du scheinst mir dafür bestens geeignet.«
Bek war ganz und gar nicht begeistert von dieser Idee, aber er wollte die potenzielle Fluchtmöglichkeit, die sich dadurch möglicherweise eröffnete, nicht ungenutzt lassen. Also tat er interessiert und stellte noch einige Fragen.
»Klingt großartig«, log er. »Wie lautet die Vereinbarung? Werde ich pro Kampf oder nach Erfolg bezahlt?«
»Das alles ist verhandelbar. Anfangs wirst du jedoch nicht viel verdienen, denn ich muss erst mal für deine Ausbildung, die Kampfausrüstung und Waffen aufkommen. Ich finde es nur fair, dass meine Kämpfer für ihren Unterhalt zahlen. Wenn man alles zusammenrechnet, ist die Sache nämlich nicht ganz billig. Dennoch, solltest du so schnell im Rang steigen, wie ich vermute, wirst du keine Geldsorgen haben, glaub mir. Du wirst reichlich Geld besitzen und allen Luxus genießen, von dem die meisten Männer träumen. Guter Wein, schöne Frauen, bestes Essen – was meinst du? Willst du ein Kämpfer werden?«
»Habe ich eine Wahl?«
»Man hat immer eine Wahl, Bek. Im Moment ist deine beste Wahl, Kämpfer zu werden, eine gute Unterbringung und Ausbildung zu bekommen und gut bezahlt und verköstigt zu werden. Du kannst aber auch zurück in deine Zelle gehen und jede Woche gegen meine besten Kämpfer antreten, bis ich jemanden finde, der dich tötet. So einfach ist die Sache.«
Bek lächelte bitter.
»Wenn Ihr es so ausdrückt, muss ich nicht lange über
meine Entscheidung nachdenken. Aber bevor ich einwillige, habe ich noch eine Bitte.«
»Nur heraus damit.«
»Wenn ich Arenakämpfer werden soll, möchte ich, dass mein Gefährte aus Thrandor auch ausgebildet wird.«
»Dein Gefährte? Wer ist das?«, fragte der Kampfleiter neugierig.
»Er hat heute auch gekämpft und gewonnen. Ein großer, rothaariger junger Mann. Er hat seinen Gegner entwaffnet …«
»Ach ja. Der schlaksige Kerl.« Der Kampfleiter dachte kurz nach. »Er hat sich recht gut geschlagen. Er ist
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