Das Vermaechtnis
könnte sie vorher noch einen schönen Urlaub machen, endlich einmal – von ihrem kleinen Gehalt hatte sie sich das bisher nicht leisten können. Bilder von weißen Stränden und Palmen, die sich sanft im Wind wiegten, zogen an ihr vorbei.
»Debbie?«
Sie zuckte hoch. »Was?«
»Himmel nochmal, hörst du eigentlich nie zu?«, knurrte Steven gereizt. »Ich habe dich gefragt, was du jetzt machen wirst? Du wirst dir doch diese Chance nicht entgehen lassen?«
»Ehrlich gesagt weiß ich das noch nicht«, erklärte sie schulterzuckend. »Ich habe ja keine Ahnung, was auf mich zukommt, wer weiß, auf was ich mich da einlasse. Dieser Onkel Chester schien schon irgendwie eine kleine Schraube locker zu haben, allein dieses seltsame Video – weiß Gott, was er sich noch ausgedacht hat.«
»Ach, es wird bestimmt nicht so schlimm sein«, redete Steven auf sie ein. »Hör es dir morgen an, und wenn alles klappt, sind wir bald so reich, dass wir uns all unsere Träume erfüllen können.«
Stirnrunzelnd sah sie ihn an. Nachdem er das Ganze zunächst abgetan hatte, hatte er seine Meinung auf einmal sehr schnell geändert, als er gehört hatte, dass es um eine so große Summe Geld ging. Er sprach plötzlich von »unseren Träumen« und ernüchtert stellte sie fest, dass es in ihren Träumen keinen Steven gab.
»Weißt du was, wir machen hier Schluss für heute, lass uns irgendwo essen gehen, und danach fahren wir zu dir und besprechen das noch einmal«, schlug er vor.
»Sei mir nicht böse, aber mir ist nicht nach Essen zumute«, wehrte sie ab. »Ich glaube, ich möchte heute alleine sein und mir das Ganze in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.«
Enttäuscht sah er sie an. »Komm schon, es wird dir guttun dich ein bisschen abzulenken, und ich kann dich bei deiner Entscheidung unterstützen.«
»Du hast mich nie wirklich unterstützt«, dachte sie resigniert, und schüttelte den Kopf.
»Nein Steven, ich fahre jetzt in meine Wohnung, denke über alles nach, und morgen sehen wir weiter.«
Ohne sich groß von ihm zu verabschieden, ging sie zur Tür, ignorierte seinen gekränkten Blick. Sie wollte nur noch nach Hause.
Unablässig kreisten die Gedanken in ihrem Kopf, während sie durch die alten Fotoalben ihrer Mutter blätterte, die sie herausgekramt hatte.
»Ach Mama, wenn du doch noch hier wärst und mir einen Rat geben könntest«, dachte sie wehmütig, während sie versuchte, irgendwo ein Bild von diesem Onkel Chester zu finden.
Als sie beim dritten Album angelangt war, hatte sie endlich Erfolg.
Da, ein vergilbtes Foto von ihrer Mutter, zusammen mit Tante Elisabeth und einem Mann, der fröhlich in die Kamera grinste. Obwohl er auf diesem Bild weitaus jünger war als in dem Video, war es zweifelsfrei Chester Mayfield.
»Es ist also wirklich wahr«, murmelte sie vor sich hin.
Für eine Weile hatte sie gehofft, es würde sich doch noch herausstellen, dass eine Verwechslung vorlag, aber damit war nun klar, dass sie tatsächlich die Deborah war, die der verrückte alte Kauz in seinem Video angesprochen hatte.
»Und was nun?«, dachte sie seufzend.
Die Summe von einer Million erschien ihr mehr als verlockend, doch sie hatte auch die Worte ihres Onkels im Hinterkopf, deutlich und warnend:
»Wenn du dich entschieden hast, gibt es kein Zurück mehr.«
Ihre Gedanken sprangen hin und her. Einerseits war sie halbwegs zufrieden mit dem, was sie hatte, sie konnte sich zwar keine großen Sprünge erlauben, aber sie kam zurecht. Andererseits waren da ihre Träume, deren Erfüllung jetzt plötzlich in greifbarer Nähe schien.
Während sie unruhig auf und ab ging, klingelte das Telefon.
»Julia«, sagte sie erfreut, als sie am anderen Ende die Stimme ihrer besten Freundin erkannte.
»Hey Debbie, ich wollte nur mal schnell nachfragen, wie es heute beim Anwalt gelaufen ist.«
»Das wirst du mir nicht glauben.« Rasch berichtete sie von ihrem Besuch in der Kanzlei.
»Oh mein Gott Debbie, eine Million«, rief Julia erstaunt aus. »Das glaube ich wirklich nicht. – Aber das ist schon eine komische Sache, hast du denn überhaupt keine Ahnung, was du dafür tun sollst?«
»Nein, das erfahre ich erst morgen – sofern ich mich darauf einlasse.«
»Ich weiß nicht, das hört sich alles sehr merkwürdig an. Hast du dich schon entschieden, ob du hingehen wirst?«
»Nein, ich bin mir nicht sicher was ich tun soll«, erklärte Debbie, und schilderte der Freundin ihre Überlegungen.
»Aber es wäre wirklich eine einmalige Chance für
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