Das verplante Paradies
willst.“
Simeon stellte die Füße auf den Boden. „Für die Gegend schon, aber für die Leute? Dazu sind es zu viele. Wenn sie alle ihre Frustrationen zu mir bringen würden, hätte ich für überhaupt nichts anderes mehr Zeit. Meine Sympathie reicht einfach nicht für alle aus.“
„Für niemanden“, sagte Julie.
Simeon formulierte eine Erwiderung, behielt sie dann aber für sich. Julie sollte so etwas sagen dürfen.
„Du scheinst mich nicht zu verstehen“, sagte er stattdessen, „ich will der GEGEND helfen.“
„Und wie willst du das machen, ohne die Leute, die hier leben? Die Einwohner sind es doch schließlich, die diese Gegend ausmachen.“
„So nicht.“
Die Sonne war jetzt vollständig untergegangen. Die ersten Sterne erschienen. Julie spürte plötzlich die Nässe des Rasens und strich ihr Kleid glatt, als sie sich erhob.
„Na schön, wer sonst?“ fragte sie.
„Wieviel von ihnen sind denn schon ortsansässig? Wieviel sind denn noch hier, wenn die Feriensaison vorüber ist, wenn sich niemand mehr darum kümmert, ob das Wasser warm und der Fischfang befriedigend ist? Wieviel Menschen hören dem Meer zu, wenn es mit seinem Kummer allein ist? Nicht einer von ihnen. Weißt du, du unterstellst mir, ich sei egoistisch. Hat jemals einer von diesen Leuten an das Meer gedacht? Nein. Sie haben viel zuviel mit ihren eigenen Ängsten zu tun. Das Meer ist mein Problem. Ich habe mir das nicht ausgesucht. Es geht nicht um einen Kreuzzug, Julie. Aber weil sich sonst niemand darum kümmert, muß ich es tun. Und jetzt erwartest du, daß ich meine Gefühle an Leute verschwende, die das Meer verleugnen und mich in dieses … Loch getrieben haben.“ Er sprang von der Schaukel, wandte sich ab und trat mit dem Fuß gegen das Sitzbrett.
Julie war erschrocken. Sie hatte Simeon noch nie so sichtbar erregt gesehen.
Er fiel auf die Knie, ohne zu bemerken, wie der Tau vom Gras durch seine Hosen drang. „Ich bin derjenige, der Hilfe braucht. Und zu wem soll ich gehen?“
Zu mir, dachte Julie. Bitte, bitte zu mir. Aber sie sagte es nicht. Sie fürchtete eine mögliche Zurückweisung in seiner Antwort.
Stattdessen ging sie zu dem Karussell hinüber und legte sich nieder. Ihren Pullover benutzte sie als Kopfkissen.
„Ich werde mit ihm reden“, sagte Simeon etwas später. Sie wandte den Kopf, so daß sie seinen verschwommenen Umriß erkennen konnte.
Er saß wieder auf der Schaukel. Entschuldigte sich bei ihr.
Charlie nahm die Bewegung wahr, noch ehe er den Mann gesehen hatte. Unter den monotonen, zweitaktigen Rhythmus auf dem Sand hatte sich plötzlich ein sachtes Schaukeln gemischt.
Der Mann stand mit dem Rücken zur Tür, sein Gesicht lag im Schatten.
Julie saß ihm gegenüber. Sie lächelte ein flüchtiges Willkommen, als Charlie auf den Platz neben ihr glitt.
Der grelle Sonnenschein, der durch die Tür drang, legte sich wie ein Sixtinischer Heiligenschein um den Kopf des Eintretenden und machte ihn unkenntlich. Nur allmählich wurde sein Gesicht erkennbar.
„Das ist Simeon“, sagte Julie. Dann stellte sie Charlie vor.
Simeon behielt seine pendelnde Bewegung bei, er benutzte die hinteren Beine seines Stuhles als Hebel und kippelte bis zu dem Punkt, wo der Stuhl beinahe umfallen mußte, dann stieß er sich wieder nach vorn und prallte krachend mit den Füßen auf den Boden.
Er nickte. „Wir haben Sie schon einmal gesehen“, sagte er. „Vor Ihrem Kasino. Innen treffen sich die Geister …’“
Charlie versuchte sich zu erinnern.
„Wir kamen in unserem Hovercraft vorbei“, soufflierte Simeon. „Sie schwankten, und Ihre Pi-Krawatte flog Ihnen ins Gesicht.“
Er berichtete das völlig ausdruckslos, und Charlie, der normalerweise feindlich reagiert hätte, spürte lediglich ein Vakuum, wo der Ärger hätte sein sollen.
Wenn Simeons Stimme verächtlich geklungen hätte, wäre es einfacher gewesen zu antworten, aber er sprach, als ob er einen nichtssagenden Kommentar zu einem Film zu liefern hätte, der in seinem Kopf abrollte.
Charlie sagte: „Ich erinnere mich.“
„Ist da viel los in diesen Kasinos?“ Die Frage war lediglich eine Höflichkeit, der jegliche Neugier fehlte.
„So wie überall“, sagte Charlie. „Die Leute kommen und gehen, manchmal mehr und manchmal weniger. Es ist eben ein Auf und Ab.“
„In letzter Zeit wohl eher ab“, sagte Simeon.
„Das würde ich nicht sagen.“ Auch wenn er anderer Meinung war, so hinderte ihn doch das gewohnheitsmäßige Erfolgsdenken,
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