Das verplante Paradies
„Hier kommt Ihre Freundin.“
Julie kam zur Theke, ohne ein Erkennungszeichen zu geben. „Hei!“ sagte Charlie, aber das Mädchen blickte ihn nicht einmal an.
Sie nahm ihr Glas und zahlte, während Charlie noch sein Geld aus der Tasche zu ziehen versuchte. Dann ging sie hinüber zu ihrem Tisch.
Charlie blieb an der Bar und schob sein Glas unruhig von einer Hand in die andere. Bis dahin hatte er noch nicht darüber nachgedacht, welche Taktik er einschlagen sollte. Und jetzt war er so voller Erwartungen und Befürchtungen, daß er nicht mehr nachdenken konnte.
Vor allem natürlich wollte er sich entschuldigen. Wofür denn eigentlich? Für den Nachmittag. Aber schließlich hatte SIE geschrieen. Vergiß es. Mach ihr klar, daß du selbst das Gefühl hast, es sei dein Fehler gewesen, dann ist sie sicher eher bereit, dir zuzuhören.
Charlie nahm sein Glas und ging zu ihrem Tisch.
„Wegen heute nachmittag“, sagte er und setzte sich. „Es tut mir leid. Ich glaube, ich sagte Ihnen schon, daß ich mit Mädchen nicht umgehen kann.“
Julie beobachtete den Mann auf der anderen Seite des Tisches. Er war noch relativ jung, aber sein Haarwuchs war schütter und er hatte schon zuviele Falten im Gesicht. Seine Augen waren weniger traurig als leer, stellte sie jetzt bei der besseren Beleuchtung fest. Wenn er einen Mangel an Sensibilität bewies, dann lag das daran, daß er nie welche besessen hatte. Die Farbe seiner Krawatte paßte überhaupt nicht zu seinem Jackett. Die Hosen konnte sie nicht sehen. Der Hut sah aus, als ob er für gewöhnlich einfach beim Hinausgehen widerwillig über den Kopf gestülpt würde.
„Es ist nicht Ihr Fehler gewesen“, sagte sie. „Ich muß mich entschuldigen. Früher war ich geselliger, aber neuerdings suche ich immer nach versteckten Absichten, wenn die Leute mich nett behandeln.“
„Sie sind verletzt“, sagte Charlie, „und man spürt es.“
Wie soll ich sie fragen? Wie komme ich an diesen Burschen heran, der sie so verletzt hat?
„Warum sind Sie zurückgekommen?“
„Ich bin hier kein Fremder … Julie.“
„Und meinen Namen haben Sie auch herausgekriegt. Trotzdem sind Sie es. In diesem Zusammenhang sind Sie ein Fremder. Joe hat eine Tages- und eine Nachtkundschaft. Ich gehöre zu beiden. Obwohl mir Tag und Nacht nicht sehr verschieden vorkommen. Sie hingegen sind ein Mittagsgast. Und jetzt haben Sie etwas Unerwartetes getan.“
„Yeah, etwas Unerwartetes. Das stimmt.“
„Wollen Sie mich noch länger herumraten lassen?“
Charlie, der sich wie der Fuchs vor der Meute fühl te, sah eine Lücke. Und lief sofort darauf zu.
„Ich weiß nicht, ob ich es erzählen soll. Sie haben doch eigene Probleme genug.“
„Dann trösten Sie mich mit Ihren. Glauben Sie mir, die Sorgen anderer Leute sind ein Trost.“
Für einen Augenblick hatte Charlie Gewissensbisse. Das Mädchen sah so hilflos aus. Wenn alles nach Plan ging, würde sie am Ende vorschlagen, daß er Simeon treffen sollte. Und das half ihm, die Schwierigkeit des Fragens zu überwinden.
„O. K. Aber wenn ich aufhören soll, dann sagen Sie es bitte.“
Das Mädchen nickte.
„Mein Name ist Charlie Haldane. Ich habe ein Denkspielkasino in Playa 8. Wie ich schon sagte, kommen morgen die College-Studenten. Ich dachte, ich könnte ihnen was bieten, aber jetzt hat sich herausgestellt, daß sie wahrscheinlich die Apparate nicht mehr mögen, die ich habe.“
„Wer sagt das?“
„Ein junger Mann hat mich besucht. Er heißt Latimer. Er sagt, er sei so eine Art Vorausabteilung. Er hat so ziemlich alles mies gemacht, was zu sehen war.“
„Und Sie glauben, er meint es ernst? Könnte er nicht von einem anderen Kasino geschickt worden sein, um die Konkurrenz madig zu machen?“
An diese Möglichkeit hatte Charlie nicht gedacht. Im Geist ging er die anderen Kasinomanager durch. Keiner von ihnen war besonders freundlich. Andererseits gab es an der Küste auch nicht so viele Kasinos, daß sie sich ernsthaft Konkurrenz gemacht hätten. Außerdem …
„Wirkte er denn wie ein College-Student?“
Und dieser Hinweis zahlte sich aus. Latimer wirkte genau wie ein College-Student. Auch wenn er die Namen nicht kannte, so kannte er doch die Typen, denen die Kasinos gehörten. Jemanden wie Latimer für ein Kasino anzustellen, war – nun ja – unmöglich.
„Ja, der war einwandfrei ein Student.“
„Dann haben Sie wirklich ein Problem. Tut mir leid. Es gibt keine Antwort.“
„Na ja, ich dachte …“
Die knappe
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