Das verplante Paradies
geschwiegen. Eine volle Stunde war verstrichen. In einer abgelegenen Ecke des Spielplatzes hatte sie eine umgestürzte Bank gefunden. Sie hatte sich darauf niedergelassen und nachgedacht.
Simeon und sein unruhiges Auf und Ab waren im Dunkel verschwunden. Sie wartete, bis sein Lachen aufhörte. „Nein“, rief sie laut.
„Was nein?“
„Ich werde dich nicht heiraten. Jedenfalls nicht so ohne weiteres.“
Die gewohnte Übelkeit bemächtigte sich Simeons. Er bewegte sich unsicher auf die Bank zu. „Ich dachte, du würdest dich freuen. Ich dachte, du wolltest das.“
„Ich glaube, wenn ein Mann eine Frau fragt, ob sie ihn heiraten will, dann möchte sie wissen, was er will, und nicht, was sie will.“ Die Stimme kam irgendwo von rechts. Er stolperte.
„Aber ich hätte doch nicht gefragt, wenn ich nicht wollte.“ Julie, die im Halbdämmer irgendwie besser sah, bewegte sich auf ihn zu. „So? Nach alledem, was geschehen ist, wirst du vielleicht verstehen, daß ich mißtrauisch bin …“
„Aber ich –“
„Vielleicht brauchst du es nur als Propagandatrick für deine großartige Tugendkampagne. Vielleicht brauchst du auch nur einen neuen Talisman zu deiner Sicherheit, nachdem die Schaukel hinüber ist.“
Simeon kämpfte sich voran. Er streckte seine Arme aus, um die Dunkelheit wie eine Rauchwand beiseite zu schieben. Für einen Augenblick glaubte er, daß sie nur vorhanden sei, um ihn weiter in die Irre zu führen.
„Weißt du, Julie … Ich verstehe ja, daß es dich überrascht.
Aber ich habe es wirklich ernst gemeint. Und nicht etwa wegen der Dinge, die ich heute nachmittag den anderen gesagt habe. Ich habe nur plötzlich den Eindruck …“ Aber das konnte er auch nicht sagen: Ich habe den Eindruck, daß mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Was wäre das für eine Grundlage für eine Ehe? Eine Grundlage, die alle Kennzeichen einer übereilten Ent scheidung trägt, die nur aus Verzweiflung gefällt wur de, um eine unbestimmte Bedrohung von sich abzuwenden.
Simeon holte Atem. „Erinnerst du dich daran, daß ich sagte, ich müsse noch einige Dinge zu Ende bringen, bevor ich an mein persönliches Glück denken dürfte? Nun, es scheint, als ob sie bald getan wären. Ich habe festgestellt, daß Latimer, die Schlüsselfigur bei allen Plänen, die zu meinem Untergang entworfen wurden, letzten Endes nur ein höflicher, von anderen verfolgter, mehr als verängstigter junger Mann ist, der meines Trostes bedarf. Auch das Meer scheint meine Vorhersage durch ein deutliches Aufbegehren bestätigen zu wollen. Vor allem aber hat die Schaukel mich freigegeben, und ich habe dafür gesorgt, daß sie mich nie wieder binden kann. Die Dinge kommen in Bewegung, und zwar in meinem Sinne. Jetzt bemerke ich, daß möglicherweise weder du noch ich die Schwierigkeiten verursacht haben, unter denen wir gelitten haben. Jetzt möchte ich einfach alles in Ordnung bringen.“
Sie trafen sich in der Mitte des Parks und blieben in kurzem Abstand voreinander stehen.
„Bist du dir deiner Sache ganz sicher, Simeon? Wenn ich feststellen müßte, daß ich so weit gekommen bin, nur um verraten zu werden – weil du Hintergedanken hattest oder plötzlich eine Erleuchtung dich überfällt –, ich glaube, ich könnte es nicht mehr ertragen.“
Simeon ergriff ihre Hände. „Keine Hintergedanken, nein. Ob mich noch einmal eine Erleuchtung überfällt, kann ich nicht versprechen. Ich bin allmählich davon überzeugt, daß es meine Bestimmung ist, erleuchtet zu werden. Aber zumindest werde ich dir zuerst davon erzählen.“
Sie standen immer noch und umarmten sich mit keuscher Fremdheit, als der Mond heraufstieg und die Dunkelheit vertrieb.
18 Grad nördlicher Breite, 131 Grad westlicher Län ge. Der Hurrikan, begierig, nach Norden zu drehen, um sich dem Pol zu nähern, erreichte den Scheitelpunkt seiner Bewegung etwa fünfhundert Meilen vor Clarion Island und drehte abrupt nach Nordosten. Die Geschwindigkeit erhöhte sich auf dreißig Knoten. 1240 Meilen entfernt, genau in der Richtung des Sturmes, lag Point Concepcion. Nur fünfunddreißigeinhalb Stunden entfernt.
Auch innerlich beschleunigte sich der Hurrikan. Er drehte sich weder vertikal wie ein Paddel, noch horizontal wie ein Roulette, sondern in unberechenbaren Schwingungen wie ein Kreisel. Die Winde wurden in die eine, das Wasser in die andere Richtung geschleudert; der Regen wurde hinunter, das Meer nach oben gepeitscht. Immer aber wurde das gewaltige Gewicht des Ozeans auf
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