Das verplante Paradies
weit entfernte Küsten zugeschoben.
In den Hügeln hinter der Stadt entdeckte Simeon eine alte katholische Kirche, deren Wände aus Luftziegeln bestanden. Aus der unnatürlichen Hitze der Sonne trat er in das kühle Innere ein.
Der Priester, der Simeon durch seine Jugend überraschte und keineswegs so alt wie die abblätternden Wandfresken und die dumpfe Luft des Raumes war, kam aus der Sakristei, als er Simeon in der Kirche umhergehen hörte.
„Ich bin kein katholischer Gläubiger“, sagte Sime on, um jedes Mißverständnis von vornherein auszuschließen. „Ich könnte gar kein Katholik sein, denn …“
Er setzte sich in eine der Bankreihen. Der Priester setzte sich neben ihn. „Ich bin selbst kein sehr eifriger Katholik mehr“, sagte er. „Diese Regungen liegen hinter mir. Heute will ich nur noch ein guter Gottesmann sein.“
Simeon ließ den Kopf hängen. Er fühlte Tränen in sich aufsteigen, und das Selbstmitleid trieb ihn, sie laufen zu lassen. Der Priester ließ ihn weinen. Nach einiger Zeit glaubte Simeon, wieder sprechen zu können. „Sind Sie einsam?“
Die Worte kamen ungeschickt heraus, wie wenn man mit der Hand die Berührung eines anderen sucht.
„Ich könnte mit vollem Recht ‚Nein’ sagen, denn mein Leben ist erfüllt und mein Herz ist fähig, solche Dinge von mir fernzuhalten“, sagte der Priester. „Aber wenn ich ehrlich bin, muß ich ‚Ja’ sagen. Ich bin hier ganz allein, wissen Sie, keine Gemeinde … zur Gesellschaft habe ich nur meine Zeremonien. Ich habe festgestellt, daß der Mensch nicht allein sein sollte. Es ist vielleicht schon ein bißchen zu spät für mich, aber …“
Also wieder eine Bitte um Trost. Simeon legte seine Finger auf das magere Handgelenk des anderen. „Das habe ich auch gedacht. Ich dachte, ich müßte so vieles erledigen, bevor ich jemanden darum bitten dürfte, mein Leben zu teilen, daß ich lange gestorben wäre, bevor dieser Zeitpunkt käme. Aber die ganze Zeit habe ich mich danach gesehnt, daß es jemand mit mir teilt. Jetzt weiß ich, daß ich dieses Bedürfnis unterdrückt habe, ohne daß es nötig war. Ich will heiraten.“
„Ich nehme an, Sie haben ein Mädchen, das Sie heiraten will.“
„Schon seit langer Zeit, ja. Seit allzu langer Zeit.“
„Aber sie ist nicht bei Ihnen.“
„Nein. Ich – Ich habe darauf bestanden, dies als allerletztes allein zu tun. Verstehen Sie bitte: Ich fühle mich verpflichtet, ihr zu zeigen, daß ich aus eigenem Entschluß heraus die nötigen Vorbereitungen treffe.“
„Es ist nicht üblich, daß –“
„Ich will nicht das Übliche, Pater. Auch sie ist keine Katholikin. Aber wir wollen … richtig … getraut werden.“
„Vor dem Angesicht Gottes.“
„Vor dem … ja.“
Der Priester erhob sich und verließ die Bank. Flink und entschlossen entfernte er die Altardecke. Er riß die Türflügel auf, so daß die dumpfe Luft hinausgetrieben wurde. Er schloß die Jungfrau in ihren Schrein aus Wal nußholz ein und nahm die Bilder der Heiligen ab.
Simeon spürte in den Bewegungen des anderen ein verwandtschaftliches Gefühl der Erleichterung – als ob der Mann seit Jahren an dieser Stelle auf eine Gelegenheit gewartet hätte, bei der er mit gutem Grund und aus einem vernünftigen Anlaß die gesamte Ausstattung loswerden könnte.
Als der Altar nur noch ein einfacher Tisch war, und die Kirche keinerlei Spuren ihrer Bestimmung mehr zeigte, kehrte der Priester zu Simeon zurück.
„Jetzt stört uns nichts mehr“, sagte er. „Wir brauchen uns um Doktrinen und Dogmen nicht mehr zu kümmern. Wir sind die Israeliten in der Wüste. Sie hatten nichts als ihren Glauben. Das genügte ihnen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum scheinbar so vernünftige Männer uns je von diesen einfachen Prinzipien weggeführt haben.“
Er legte seine Hand auf Simeons Arm und führte ihn in die Vorhalle. Gemeinsam blickten sie in das gelbe Oktoberlicht.
Simeon spürte eine Sympathie für den anderen, die nicht ohne Worte bleiben konnte. „Ich hatte nicht erwartet, daß Sie so – bereit sein würden.“
Der andere lachte. „Ich habe schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, um das zu tun.
Ich war schon immer der Ansicht, daß viel zuviel Weihrauch, Brokat und Dämmerlicht zwischen mir und den Nöten der Menschen standen. Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind. Ich freue mich darauf, Sie wiederzusehen. Solange Sie Ihrer künftigen Frau erlauben, zur Hochzeit zu kommen …“
„Ich danke Ihnen “, sagte
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