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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tate
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erzeugt, den keiner mehr auflösen kann.
    Wir wollen daher etwas anderes versuchen. Wir sollten ein neues Verhaltensmuster entwickeln. Wir sollten damit beginnen, daß wir in unserer Gemeinschaft den Haß nicht dulden; daß keiner von uns etwas hat, was der andere nicht hat. Es handelt sich dabei um eine Willenserklärung. Vielleicht erreichen wir das Ziel auch nicht, aber wir müssen es zumindest versuchen. Wir dürfen uns nicht wie die Hippies verhalten, die Lust meinten, wenn sie von Liebe sprachen, und Rauschgift anstelle von Glück. Wir wollen uns nicht verlieren, anstatt uns zu finden. Wir wollen es mit Tugend versuchen.“
    Unruhe entstand in der Menge.
    „Wenn irgend jemand gehen möchte, sollte er es gleich tun“, sagte Simeon. „Denn ich möchte jetzt alle Anwesenden dazu auffordern, dieser Willenserklärung zuzustimmen.“
    Die Unruhe hörte auf.
    „Gut. Hört jetzt genau zu. Obwohl wir hier alle zusammen sind, ist es letzten Endes doch die Entscheidung jedes einzelnen von euch, wieviel Kraft wir in diese Sache hineinlegen. Es ist meiner Meinung nach eure einzige Hoffnung. Aber vielleicht seht ihr es anders.
    Ich möchte nur hinzufügen, daß ihr mir bisher zugehört habt und daß ihr keinen Schaden davon hattet. Auch dies wird euch nicht schaden, das weiß ich. Ganz im Gegenteil: Wenn ihr von hier weggeht, wird es euch besser gehen und ihr werdet feststellen, daß ich recht hatte.
    Ich bitte nicht darum, daß ihr es einfach nur probiert – es handelt sich nicht um einen Versuch, der auch schiefgehen könnte. Ich möchte, daß ihr ohne innere Reserve mitmacht. Seid geduldig. Erwartet nicht, daß sich die Ergebnisse sofort zeigen. Aber gebt auch nicht auf.“
    Er hing wie eine Fahne auf der Schaukel. Die Sonne stand niedrig und es war kühl geworden. Trotzdem klebte ihm das Hemd am Leib.
    Warum? Warum diese Predigt? Ziehe ich jetzt die letzten Register nur für Latimer?
    Nein, weil sie mich jetzt endlich nach dem Haß gefragt haben, weil das, was ich ihnen gegeben habe, ihnen schon vertraut war, weil sie seit langem danach verlangten. Leere Worte. Das ist nicht genug. Aber was sonst?
    Müde bin ich gewesen. Vielleicht hilft mir die Schaukel nicht mehr.
    Vielleicht hat sie es nie getan. Ich helfe mir selbst, Latimer. Egal, was du denkst, ich …
    Er hatte eine trockene Kehle, und sein Rücken schmerzte. Er spürte deutlich die Gespanntheit seiner Trommelfelle, er war sich bewußt, daß es niemals und nirgends völlige Stille gab.
    Das Publikum hatte sich im Laufe der Wochen vermindert. Immer mehr Leute waren zu ihren gewöhnlichen Beschäftigungen zurückgekehrt. Nur wenige hatten seinen Appell noch gehört. Obwohl er nicht stolz darauf war, bedauerte er doch, daß ihn nur so wenige gehört hatten.
    Aber es gab noch eine Chance. Wenn wenigstens die letzten noch blieben. Er sprang von der Schaukel und rief sie.
    „Wartet. Wartet!“
    Er mußte ihnen beweisen, daß wirklich niemand et was hatte, was der andere nicht besaß.
    „Wartet.“
    Er schwang sich auf das Stahlgerüst und zerrte an den Ketten. Die Schaukel fiel herunter, und er fiel ihr nach. Auf den Knien wickelte er ungeschickt die Ketten um den geborstenen Sitz, ohne auf die Splitter des mürben Holzes zu achten, die sich in seine Finger bohrten.
    „Wartet bitte. Alle.“
    Er packte die Schaukel und lief damit zum Abbruch des Kliffs.
    Dann warf er sie in den blutroten Sonnenuntergang.
    Als er sich umdrehte, war er mit Julie allein im Park.
    „Julie“, sagte er müde, „willst du mich heiraten?“
     
    Beaufort-Skala 12 – ein Wind, der „jede Leinwand zerreißt“. Der Hurrikan wanderte nach Osten mit einer Geschwindigkeit von fünfzehn Knoten. Dabei trieb er trügerische Zirruswolken und faserige Federwolken vor sich her, die fälschlich blauen Himmel versprachen. Das Meer wurde zu Schaum gepeitscht und die Luft in seinem Gefolge war mit Gischt erfüllt. Das Wasser, das vor ihm lag, schien den Sturm schon zu ahnen und färbte sich trotz des strahlenden Himmels grau.
     
    Unlustig ging Simeon im Park umher. Aus bloßer Neugier ging er zum Gerüst der Schaukel zurück und stellte sich an jene Stelle, wo sonst sein Platz gewesen war. Er hatte erwartet, daß er Reue über seine große Geste empfinden würde, wenn der Rausch des Augenblicks erst vorbei wäre. Statt dessen war er erleichtert, ja, mehr als das: Er war euphorisch.
    Er lachte.
    Beim Klang seiner Stimme blickte Julie auf. Seit Simeon ihr den Heiratsantrag gemacht hatte, hatte sie

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