Das verräterische Tonband
Tonbändern, ich habe sogar einige von ihnen abgehört«, sagte er
langsam. »Herman pflegte mich bei einigen seiner Probleme zu konsultieren —
rein professionell natürlich. Ich tat das gern; und er bestand darauf, mir
großzügige Honorare für meine geäußerten Ansichten zu bezahlen .« Er trank einen Schluck aus seinem Glas und sah mich
bedrückt an. »Nun können Sie vielleicht verstehen, warum ich Angst vor
Schlaflosigkeit bekomme? Wenn seine eigene Frau darauf beharrt, er sei ermordet
worden, weil jemand diese Tonbänder haben wollte, um sie zu Erpressungszwecken
zu mißbrauchen , dann bringt mich das der Polizei
gegenüber in eine sehr peinliche Situation, milde ausgedrückt.«
»Was
für Schwierigkeiten hat denn Mrs. Reiner ?«
»Nun,
es verstößt irgendwie gegen das Berufsethos, darüber zu sprechen .« Er sah den Ausdruck auf meinem Gesicht und zog eine
Grimasse. »Aber schließlich ist sie ja nie meine Patientin gewesen, und unter
diesen Umständen...« Er räusperte sich verlegen. »Ich weiß nicht, welcher Art
ihre Probleme im einzelnen sind — es bedürfte einer gründlichen Analyse, um das herauszufinden. Sie ist
eine eingefleischte Lügnerin — .« Er errötete
plötzlich. »Vermutlich haben Sie erwartet, daß ich das nun sagen werde, aber
zufällig ist es wahr, Mr. Holman . Niemand kann das
natürlich ohne eine gründliche Analyse mit Sicherheit behaupten, aber meiner
Ansicht nach liegen bei ihr paranoide Tendenzen vor, und zwar schon seit
einiger Zeit. Ich habe aus naheliegenden Gründen niemals darüber mit Herman
gesprochen, aber wie er sie als Ehefrau ertragen hat, ist mir schleierhaft .«
»So,
wie Sie die Sache hinstellen, kann ich nicht umhin, mich zu fragen, ob Mrs. Reiner nicht an jenem Morgen mit einem Gewehr im Wald
war«, sagte ich grinsend.
»Sie
war zu Hause und lag im Bett, als ich sie anrief«, sagte er. »Aber es würde
mich nicht wundern... Nein, das will ich lieber nicht sagen .«
»Daß
sie einen Killer angeheuert hat, der die Sache für sie erledigte ?« erkundigte ich mich. »Wollten Sie das sagen, Doktor ?«
»Ja.«
Er nagte flüchtig an seiner Unterlippe. »Wahrscheinlich wollte ich das sagen .«
»Was
für ein Zufall«, sagte ich. »Genau das hat sie mir gegenüber vermutet. Jemand
könne einen Killer angeheuert haben, um ihren Mann zu ermorden, Deshalb sei sie
bei der ganzen Sache so nervös, sagte sie, denn jeder, der einen Killer
beauftragt hat, könne ihn jederzeit erneut beauftragen .«
Ich
trank mein Glas leer, stellte das Glas auf die Seitenlehne des Stuhls und stand
auf. »Vielen Dank, daß Sie mir Ihre Zeit geopfert haben, Doktor.«
»Ich
wollte, ich hätte Ihnen besser helfen können«, sagte er wehmütig. »Vor allem nun,
nachdem Sie mich zu einem schlaflosen Menschen gemacht haben.«
Ich
benutzte die alte Technik, zu warten, bis ich die Tür erreicht hatte, bevor ich
mich umdrehte und ihm den entscheidenden Schlag versetzte.
»Nur
noch eine Frage, Doc.«
Seine
Miene besagte, daß er sich weder aus dem »Doc« noch aus dem Ton, mit dem ich es
gesagt hatte, etwas machte. Aber er schluckte und ließ die Sache auf sich
beruhen. »Was, Mr. Holman ?«
»Abgesehen
von ihren anderen Problemen — würden Sie sagen, daß Mrs. Reiner nymphoman veranlagt ist ?«
Er
überlegte geschlagene fünf Sekunden und nickte dann bedächtig. »Vermutlich ja.«
»Entschuldigen
Sie«, ich lächelte ihm aufs sonnigste zu, »aber noch eine Frage, es ist
bestimmt die letzte, ich verspreche es Ihnen .« Ich
lächelte weiter, bis seine Verärgerung einen Explosionspunkt erreicht hatte.
»Na
gut«, knurrte er. »Also stellen Sie Ihre verdammte letzte Frage. Ja?«
»Klar !« sagte ich obenhin. »Wann haben Sie zum letztenmal mit Karen Reiner geschlafen, Doc ?«
»Scheren
Sie sich zum Teufel«, antwortete er langsam, »bevor ich Sie hinausschmeiße !«
Das
war nicht gerade eine Antwort, aber ich gab mir nicht die Mühe, auf ihr zu
bestehen. Ich verließ seine Wohnung, die Tür höflich hinter mir schließend, und
war überzeugt, die Antwort in Form des vorübergehenden Ausdrucks von Panik in
seinen Augen erhalten zu haben, bevor er begonnen hatte, sich aufzuplustern.
Der
Aufzug war wirklich schick mit imitierten Marmorwänden, genau die Sorte, die zu
imitierten philosophischen Betrachtungen anregt. Wie zum Beispiel die, daß man
uferlos neue elegante Gebäude bauen kann und doch immer nur wieder die alten
schmutzigen Sünden in ihnen begangen werden. Ich glaube, die
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