Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
bemüht unbekümmertem Tonfall.
Martin lacht auf.
"Meinst du das Blondchen? Niemals, hast du ihre Leopardenschuhe gesehen? Ich stehe nicht auf … Tussen!"
Ich möchte Martin um den Hals fallen.
"Aber der Daumen?", frage ich verwirrt.
"Der galt doch dir und deinem schmachtenden Romeo. Ich habe euch die ganze Zeit beobachtet, da könnte echt was draus werden", versichert Martin und mir wird ganz warm ums Herz.
Er hat mich also beobachtet, soso. Um einiges versöhnlicher gestimmt zwinkere ich Martin zu.
"Na mal sehen. Seine Nummer habe ich ja", lüge ich geheimnisvoll. Soll Martin sich doch ruhig auch mal seinen Kopf zerbrechen.
Das Leben ist schön! - Dieses Mal handelt es sich bei der Weisheit nicht um einen textilschmückenden Spruch, sondern um mein neues Lebensmotto. Nicht selten ertappe ich mich dabei, minutenlang lächelnd an die Zimmer-decke zu starren oder pfeifend durch die Wohnung zu tänzeln. Die letzten Tage waren einfach traumhaft. Martin scheint unsere gemeinsame Zeit zu genießen und mir geht es nicht anders. In seiner Gegenwart fühle ich mich behütet und wohl, als wäre ich nicht länger Charlotte Wiese, sondern jemand anderes. Jemand Besonderes. Was kann es Schöneres geben? Seit langer Zeit bin ich wieder glücklich und zufrieden - kurzum, ich erkenne mich selbst kaum wieder.
Nur ab und an werden die wundervollen Stunden durch ein unangenehmes Ziepen in meinem Bauch getrübt und eine kleine Panikattacke befällt mich. Martin ist einfach zu einzigartig, als dass dies der restlichen Damenwelt verborgen bliebe. Seine Vorzüge sind zu offensichtlich: Er sieht gut aus, hat einen tollen Kleidungsstil und Humor und scheut sich auch nicht davor, stundenlang bei einem guten Wein über das Leben zu sinnieren. War ich zu Beginn der Woche schon begeistert von Martin, bin ich inzwischen regelrecht verrückt nach ihm. Jeder Tag, an dem ich ihn näher kennenlerne, offenbart weitere tolle Seiten meines Nachbarn.
"Ich sage dir, der Typ ist zu gut, um wahr zu sein. Mit dem stimmt was nicht!"
War ja klar, denke ich, als ich Kordulas vernichtendes Urteil höre.
"Wieso das denn?", frage ich trotzig. "Glaubst du, ein so toller Mann würde sich für die olle Charlotte nicht interessieren, oder was?"
Ich erwarte heftiges Abstreiten und Beteuerungen des Gegenteils, stattdessen ist es auf der anderen Seite der Leitung schlagartig still.
"Kordula!"
Ich möchte sie würgen.
"Beruhige dich Charly, natürlich denke ich das nicht. Aber ehrlich gesagt, finde ich das Ganze merkwürdig. Ist es nicht ein Wahnsinnszufall, dass dein neuer Nachbar direkt am ersten Tag vor deiner Haustür steht und sich als DER Traum aller Frauen entpuppt?"
"Na, jetzt übertreibst du aber!", grummle ich, obwohl ich ihr innerlich zustimmen muss.
"Charlotte, mach die Augen auf! Der Mann hat in den letzten Tagen so viele blöde Sachen mit dir durchgezogen, das würde mein Rüdiger in seinem ganzen Leben nicht übers Herz bringen."
Ich grinse, das stimmt. Martin hat mich ohne zu murren auf alle Veranstaltungen begleitet, vor denen sämtliche Männer Reißaus genommen hätten. Und das Beste daran ist, dass er Spaß dabei hatte. Oder diesen sehr überzeugend vorgetäuscht hat.
"Nur weil du mit deiner faulen Sesselrübe nicht so ein Glück hast, willst du mir meines nicht gönnen", maule ich.
Der Treffer ist versenkt und Kordula schweigt beleidigt. Kurz darauf folgt ein gönnerhafter Seufzer.
"Kindchen, ich will dir doch nichts Böses, ich möchte doch nur, dass er dich nicht verletzt, okay?"
Ich hasse es, wenn sie mich Kindchen nennt und das weiß sie auch, aber heute lasse ich es ihr durchgehen.
"Gut, ich passe auf. Versprochen!", beende ich das Thema.
Ich habe keine Lust. weiter zu diskutieren. Zum einen habe ich seit geraumer Zeit mehrere Streifen Wachs auf meinen Beinen kleben und bin daher ohnehin etwas angespannt. Zum anderen zerbreche ich mir seit Tagen über dieselben Dinge den Kopf. Auch ohne Kordulas vernichtende Lebensweisheiten, die sie gerne in Phasen vollkommener Glückseligkeit aus ihrer Schublade kramt. Meine Freundin könnte problemlos eine Selbsthilfegruppe leiten – gegen Euphorie und Frohsinn. Nach ihrem Vortrag wäre garantiert auch der fröhlichste Mensch depressiv und suizidgefährdet, manchmal erinnert sie mich stark an meine Mutter.
Bald wird Martin seinen neuen Job antreten und ich verliere damit die Rolle seiner einzigen weiblichen Bekanntschaft in dieser Stadt. Ich kann nur hoffen, dass er den Reizen der Büromiezen widerstehen
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