Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Entgegen dem klassischen Verhalten der meisten Mitarbeiter vertritt sie die Meinung, dass Vorgesetzte auch nur Menschen seien. Ich bin aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit auch nie verschrocken mit den Herren umgegangen. Man kennt sich inzwischen, erst recht wenn man sich jahrelang die gleiche Etage geteilt hat. Aber das trifft nur auf mich zu. Umso erstaunter war ich, als Frau Grube bei unserer letzten Veranstaltung Herrn Weber auf einen Stuhl in der hintersten Reihe platzierte. Begleitet mit den Worten: "Tja Herr Weber, wer sich nicht rechtzeitig anmeldet, der muss damit rechnen, dass er nicht den besten Platz bekommt."
Dabei hat sie ihr lockiges Haar in den Nacken geworfen und laut gelacht, wie immer etwas zu schrill für meine Begriffe. Aber Herr Weber störte sich offensichtlich nicht daran und lachte einfach mit. Selbstverständlich zog ich Frau Grube anschließend zur Seite, um sie zurechtzuweisen, sie hat jedoch nur lächelnd ihren Kopf geschüttelt.
"Ach, Frau Wiese, ich habe mit so vielen sogenannten Hohen Herren aus der Politik zusammengearbeitet, glauben Sie mir, die kochen auch nur mit Wasser. Und meistens sind die Leute sogar dankbar, wenn man mit ihnen völlig normal umgeht."
Nach dieser Ansprache war sie verschwunden und während ich ihr verdattert nachschaute, ahnte ich bereits damals, dass es mit ihr nicht leicht werden würde. Zu allem Übel ging der Vorstand am Ende des Abends noch einmal auf Frau Grube zu und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. Ich konnte leider nicht jedes Wort verstehen, aber ich meine ein: "Sie machen das ganz richtig, weiter so" gehört zu haben. Super, ab jetzt wird sie nicht mehr zu bremsen sein, dachte ich damals und so wie es aussieht, hatte ich recht.
Trotzdem! Dass Frau Grubes binnen so kurzer Zeit auf die Überholspur wechseln sollte, ist einfach unfassbar. Noch dazu auf so schamlose Art und Weise, das hätte ich von meiner neuen Kollegin nicht gedacht. Der armen Evi einfach hinterrücks die Beförderung zu stehlen, ist ein starkes Stück.
Auf dem Gang ist das Klappern mehrerer Absätze zu vernehmen und es wird merklich lauter. Die Damen sind anscheinend fertig mit ihrem Einkauf und befinden sich nun auf dem Rückweg.
Was soll ich jetzt bloß machen? Ich kann doch nicht zulassen, dass Frau Grube mir meine wohl verdiente Karriere zerstört. Außerdem kennt sie sich nicht einmal halb so gut aus wie ich, das kann doch nicht im Sinne der Firma sein.
Denk nach Charlotte, denk nach. Ein paar Sekunden stiere ich wie ein Esel wenn es donnert, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Kopf ist leer, doch leider wird es mein Büro gleich nicht mehr sein. Dann gebe ich mir einen Ruck und greife nach den Unterlagen. Ich kann sie ja später wieder auf ihren Platz legen, das merkt Frau Grube gar nicht.
Keine Sekunde zu früh lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen, denn kurz darauf kommt Frau Grube mit strahlendem Gesicht herein und berichtet: "Wir haben uns jetzt für einen Obstkorb entschieden. Eigentlich wollten wir kein klassisches Krankengeschenk kaufen, aber auf etwas anderes konnten wir uns einfach nicht einigen."
Mit dem Kopf im Nacken gackert sie wieder ihr lautes und unangebrachtes Lachen. Ich nicke eine Spur zu heftig und stimme panisch ein. Ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass mir mein schlechtes Gewissen Buchstabe für Buchstabe ins Gesicht geschrieben steht, doch Frau Grube bemerkt zu meinem Glück nichts davon.
"Wann besuchen Sie eigentlich die Evi im Krankenhaus?", meint sie unbefangen und mein Lächeln gefriert.
"Wie Krankenhaus?", frage ich ehrlich schockiert.
"Na Evi besuchen", erklärt Frau Grube ebenso verwirrt, dann bemerkt sie meinen fassungslosen Gesichtsausdruck.
"Sagen Sie bloß, das wussten Sie nicht! Evi hatte gestern einen Fahrradunfall und hat sich die Hüfte gebrochen."
Verstört senke ich meinen Blick. Ich fasse es nicht, Evi ist aus dem Verkehr gezogen und ich erfahre das als Letzte?
"Das ist schrecklich!", entfährt es mir. Als mir einfällt, welche Chance ich soeben bei Herrn Seibold vertan habe, schlage ich entsetzt meine Hände vor das Gesicht.
Frau Grube schaut nicht weniger entgeistert. "Aber ich dachte … Ihre Bemerkung heute Morgen …", stottert sie umständlich. Dann bricht sie ab und kneift nachdenklich die schwarzen Knopfaugen zusammen.
"Frau Wiese, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, ich habe vorhin scheinbar etwas völlig falsch verstanden. Ich weiß auch nicht, wie ich so etwas denken konnte. Es tut mir
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