Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
habe keine Lust auf der schwarzen Liste einer Irren zu landen.
In der Küche liegt der besagte Zettel und daneben steht ein Schwein. Also, da muss ich kurz mal überlegen. Evi hat sich nur durch reine Fressgier meine hart erkämpfte Mappe ergattert, sich also unverfroren mit meinen Lorbeeren geschmückt und meine Beförderung eingeheimst. Wie viel gibt man da am besten? Ob fünfzig Euro wohl genügen? Ich spüre, wie neue Wut in mir hochkriecht und entferne mich rasch in Richtung Kaffeemaschine. Nicht, dass ich noch aus einem Anfall heraus das Schweinchen zerschlage und die Scherben Frau Grube in einem Stück Kuchen serviere.
Neugierig beäuge ich das Papier. Fein säuberlich ist das heutige und morgige Datum unter der Überschrift "Besuchszeiten" zu lesen. Ich frage mich, was das zu bedeuten hat. Genügt es nicht, wenn Madame Raubmops zu ihrer Beförderung ein Riesengeschenk kassiert, muss denn zusätzlich eine Audienz abgehalten werden? Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen derartigen Aufwand für einen anderen Mitarbeiter betrieben zu haben.
Meine Entrüstung zieht sich schon Boxhandschuhe auf, um in den Ring zu steigen, als zwei Kolleginnen lautstark die Küche betreten. Ich schrecke hoch und bereue sofort mein schuldbewusstes Gesicht. Hastig krame ich einen Zwanzigeuroschein hervor und stecke ihn möglichst gleichgültig durch den Schlitz. Das Verstummen der Damen bestätigt meine Hoffnung, bei dieser großzügigen und uneigennützigen Geste beobachtet worden zu sein. Während sich meine Entrüstung maulend mit einem Stück Kuchen zurück zieht, trage ich mich in Schönschrift für den morgigen Besuch ein. Müsste ich Evi heute schon gegenüber treten, könnte ich für nichts garantieren.
Frau Kehrmann schlägt mir kameradschaftlich auf den Rücken, als ich mich an den beiden vorbeiquetsche. Ich kann nicht sagen, welches Gefühl in mir überwiegt, der Stolz aufgrund dieser Geste oder die Atemnot, die dadurch ausgelöst wurde. Die Gute sollte definitiv weniger Hanteln stemmen, sogar unser Sicherheitsdienst hat inzwischen Angst vor ihr. Seit ihr Mann sie vor einem Jahr wegen einer Jüngeren verlassen hat, besucht Frau Kehrmann regelmäßig das städtische Fitnessstudio und hat inzwischen gewaltig an Muskelmasse zugelegt. Man munkelt, sie trainiere so viel und hart, um sich vom Schmerz und der inneren Leere abzulenken. Ich hingegen bin mir recht sicher, dass sie auf ein Wiedersehen mit ihrem Ex hinarbeitet. Vermutlich besitze ich zu viel Phantasie, aber die Frau verursacht in mir ein unangenehmes Kribbeln. Und wenn eines Tages die Polizei vor meiner Tür steht, bleibt mein Mund versiegelt. Zu meiner eigenen Sicherheit.
Die nächsten Stunden verlaufen normal und ich beruhige mich ein wenig. Keine überraschenden Sektstände, Wutausbrüche oder Ähnliches bringen meinen Tagesablauf ins Straucheln. Dennoch habe ich nach wie vor das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben, auch wenn ich keinen sichtbaren Hinweis darauf finden kann. Gegen halb zwölf meldet sich mein Magen und fordert seine, täglich um diese Zeit stattfindende, Mittagspause. Heute verzichte ich allerdings auf mein Essen, da ich zu aufgewühlt bin.
Vor wenigen Minuten sind meine Kolleginnen lärmend über den Flur gezogen. Diese Zusammenrottung zur gemeinschaftlichen Nahrungsaufnahme ist an sich nichts Ungewöhnliches, aber die frühe Uhrzeit spricht eine andere Sprache. Frau Grube klärt mich auf.
"Wir besorgen jetzt das Geschenk für Evi. Bis später, Frau Wiese."
Mit diesen Worten lässt sie mich zurück, ohne zu fragen ob ich eventuell mitkommen möchte. Egal. Mir soll es recht sein, auf einen Ausflug mit der Muppet Show kann ich getrost verzichten. Außerdem habe ich ohnehin viel zu tun, genauer gesagt, kann ich mich vor Arbeit kaum retten. Das habe ich mir zumindest nicht verkneifen können, Frau Grube mitzuteilen, bevor diese die Tür schließen konnte.
Ich lehne mich zurück und genieße mit geschlossenen Augen die nun vorherrschende Stille. Nach wohligen Minuten des Dösens schlendere ich in unsere Küche, um ein zweites Käffchen zu schlürfen. Ich muss meinem Körper auch seine Ruhephasen gönnen, sonst ende ich womöglich noch wie Frau Grube. Während ich auf das Durchlaufen der dampfenden Flüssigkeit warte, studiere ich nochmals die Liste. Alle haben sich inzwischen eingetragen, sogar Friederika. Pfff, die sollte mal lieber nach neuen Geschirrspülstabs gucken, unsere Gläser kommen dreckiger aus der Spülmaschine, als sie vorher
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