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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Sarazenen hätte kaufen lassen und schuld daran sei, dass dieser Emporkömmling Salah al-Din – oder Saladin, wie sie ihn jetzt nennen – seine Macht festigen konnte! Und es heißt auch«, fügte er leiser und mit glasigem Blick hinzu, während er kraftlos zurück auf die Kissen sank, »dass der Herr mich und die Meinen dafür strafen wolle.«
    »Ihr kennt mich, mein König«, wandte Cuthbert ein. »Ich bin ein Mann des Glaubens und der Wissenschaft. Ich gebe nichts auf das Gerede in den Straßen. Was für mich zählt, sind Fakten, denn in ihnen spiegelt sich Gottes Ordnung.«
    »Und nichts anderes als Fakten bat ich Euch zu untersuchen«, bestätigte Amalric trotzig. »Heißt es in jenem Brief nicht, dass es eine Quelle von seltener Heilkraft gibt, die Christen von jeglichen Gebrechen befreit?«
    »So heißt es«, stimmte Cuthbert zu, »doch reichen die Ortsangaben bei Weitem nicht aus, um diese Quelle zu finden. Zwar ist von Bergen und Flüssen die Rede und wohl auch von einer großen Wüste, jedoch ist keiner dieser Orte mit Namen benannt. Auch sind keine Himmelsrichtungen erwähnt oder die Position von Gestirnen.«
    »Und?«
    »Herr, wir wissen nicht viel über die Länder jenseits des Orients, abgesehen davon, dass sie wild und heidnisch sind und von nahezu unermesslicher Weite. Wenn es jenen Quell gibt, von dem der Brief berichtet, so könnte er überall sein, und ein ganzes Menschenleben würde nicht ausreichen, um …«
    »Genug!«, fiel Amalric ihm ins Wort. Seine Stimme überschlug sich, und seine Augen bekamen einen fiebrigen Glanz. »Ich will nichts von solchen Einwänden wissen! Dies Schriftstück ist von großer Seltenheit und für die Augen mächtiger Herrscher bestimmt!«
    »Und ich danke Euch für das Privileg, es studieren zu dürfen, Herr«, stimmte Cuthbert zu. »Alles, wovon in diesem Brief die Rede ist, mag genauso existieren. Ich bestreite es nicht, weil ich das Gegenteil nicht beweisen kann. Aber wenn Ihr behauptet, dass Ihr mich meiner Ehrlichkeit wegen zu diesem Dienst berufen habt, so muss ich Euch um der Wahrheit willen sagen, dass ich ohne genaue Beschreibung des Ortes nicht die geringste Möglichkeit sehe, jenen heilenden Quell zu finden.«
    »Aber … ich will es!«, entgegnete Amalric mit hilflosem Trotz, der mehr von jenem halbwüchsigen Knaben hatte, den Cuthbert einst unterrichtet hatte, als von einem reifen Mann.
    Einmal mehr ertappte sich der Mönch dabei, dass er Mitleid empfand. Unwillkürlich machte er einen Schritt auf den König zu, der dort vor ihm auf seidenen Kissen kauerte, mit hängenden Schultern und gesenktem Haupt. »Bisweilen«, sagte er leise, »ist Wollen nicht genug, mein König.«
    Amalric schaute ihn an. Der Zorn war aus seinem Blick gewichen, nur noch Resignation war darin zu erkennen. Und, wie Cuthbert betroffen feststellte, nackte Furcht.
    »Ihr habt keine Ahnung«, flüsterte er, »könnt nicht begreifen, wie es ist, wenn alles, wofür man zeit seines Lebens gekämpft hat, einfach endet und nichts davon bleibt.«
    »Das könnt Ihr nicht wissen, mein König. Die Wunder des Herrn offenbaren sich auf mancherlei Weise, jedoch nicht immer so, wie wir es erwarten.«
    »Natürlich.« Amalric lachte freudlos auf. »Ich höre meinen alten Lehrer sprechen. Stets habt Ihr mich angehalten, mit wachen Augen durch das Leben zu gehen und die Vielfalt der Schöpfung zu würdigen. Habt Ihr mir nicht auch geraten, die Sarazenen nicht nur als Feinde zu betrachten, sondern auch von ihnen zu lernen? Das Beste beider Welten zu vereinen?«
    Cuthbert zögerte. Die Art und Weise, wie Amalric fragte, gefiel ihm nicht. Der Herrscher von Jerusalem ähnelte einem verwundeten Löwen, der sich zurückgezogen hatte, um seine Wunden zu lecken. Er mochte geschlagen und geschwächt sein – dennoch war er noch immer ein Löwe. »Das habe ich«, räumte der Mönch vorsichtig ein und ließ den Blick durch die Kammer schweifen, »und wie ich erkennen kann, habt Ihr meine Ratschläge berücksichtigt.«
    »Das habe ich allerdings.« Amalric beugte sich zu ihm herab, sodass Cuthbert den schweren, nach Wein und Fäulnis schmeckenden Atem seines Herrschers riechen konnte. »Ist Euch je der Gedanke gekommen«, fragte er leise, »dass meine Offenheit den Heiden gegenüber der Grund dafür sein könnte, dass Gott mich auf so schreckliche Weise bestraft? Womöglich, mein alter Freund, tragt Ihr die Schuld an meinem Unglück!«
    Cuthbert zuckte innerlich zusammen. Seine Freude darüber, aus der Schar

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