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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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erklären!« Heck reichte den Aktendeckel zurück.
    Stephan nahm ihn entgegen. »Geht klar!«
    Für zehn Uhr hatte Heck eine Lagebesprechung im dafür vorgesehenen Raum angeordnet. Stephan erschien überpünktlich. Nach ihm trafen Tobias Hölzinger, Serafettin Gümüstekin, Ernestine Hoff und schließlich Gerhard Heck ein. Die meisten versorgten sich mit Kaffee aus der bereitgestellten Maschine, dann nahmen sie um den großen eckigen Tisch Platz, der den Raum fast vollständig ausfüllte. Tobias Hölzinger postierte vor sich wie üblich eine große, mit Mineralwasser gefüllte Kunststoffflasche. An der rechten Wand verlief eine kleine Küchenzeile mit Waschbecken und der vor sich hinblubbernden Kaffeemaschine. Heck postierte sich an der Stirnseite neben der Tür, weil die weißgestrichene Wand dort als Projektionsfläche genutzt wurde. Er schaltete den altmodischen Tageslichtprojektor ein, dessen Kühlpropeller ratterten und einen unangenehmen Geruch nach verbranntem Staub im Raum verteilten. An der gegenüberliegenden Seite verlief die Fensterfront Richtung Dreieichpark, und Hölzinger bewegte sich noch einmal dorthin, um einige Fenster zu kippen.
    »Wir haben mehrere Ermittlungsansätze und müssen die heute mal zusammentragen. Ein Schwerpunkt ist die Familie. Da sind uns einige Dinge merkwürdig aufgestoßen. Ernestine, kannst du das einmal zusammenfassen? Am besten chronologisch?«
    Ernestine nickte. »Die Familie haben ich und Serafettin gleich am Montag aufgesucht, um ihnen die Todesmitteilung zu überbringen. Nachmittags hatten wir in der Wohnung niemanden erreicht. Die Nachbarn sagten uns, dass alle arbeiten oder in der Schule seien. Wir suchten die Mutter an ihrer Arbeitsstelle auf, machten ihr die Mitteilung und brachten sie dann nach Hause. Sie reagierte sehr entsetzt, aber dann doch auch wieder sehr gefasst. Sie rief sofort ihre Tochter Sümeyye auf dem Handy an, teilte ihr mit, was geschehen ist, und bat sie, die Jüngste vom Kindergarten abzuholen und nach Hause zu bringen. Sie solle auch ihren Brüdern Bescheid sagen, dass die Polizei am Abend zur Familie kommen würde.«
    Serafettin schaltete sich ein. »Es war dann Aufgabe der Brüder, den Vater zu benachrichtigen. Wir haben am Abend die ganze Familie in der Wohnung der Eltern angetroffen und mit ihnen gesprochen. Yunus, der älteste Sohn, ist zwanzig Jahre alt und wohnt in einer Wohngemeinschaft in der Bettinastraße. Er studiert an der Fachhochschule und verdient sich seinen Unterhalt durch Vierhundert-Euro-Jobs. Er ist ein sehr ernsthafter, gut integrierter, junger Mann. Erkan ist fünfzehn, geht noch zur Schule. Der hat seinen Weg noch nicht gefunden und versucht vor allem, sehr ›cool‹ zu erscheinen.«
    Ernestine ergänzte: »Auffällig war überhaupt dieses sehr kühle Verhalten der männlichen Mitglieder der Familie. Sie beteuerten zwar, dass sie eine solche Tat verabscheuten, jedoch konnte man bei ihnen wenig Mitgefühl erkennen. Özlem war schließlich ihre Schwester!«
    Serafettin fügte hinzu: »Es war auch ungewöhnlich, dass der Vater sich völlig zurückhielt. Man hatte den Eindruck, er hätte sich gerne auf mangelnde Deutschkenntnisse berufen, um möglichst nichts aussagen zu müssen. Da ich aber anwesend war, konnte er sich mit mir auf Türkisch unterhalten, doch auch dabei hatte ich den Eindruck, dass er sehr vorsichtig war und darauf achtete, möglichst wenig Informationen herauszulassen. Ich befragte ihn nach Özlems Alltag. Er meinte, sie sei ausgezogen, hätte ihr eigenes Leben gelebt. Er wisse nicht, wie sie ihr Geld verdient habe. Er sei auch nie in der Wohnung gewesen. Als ich ihn fragte, ob es einen Mann im Leben der Tochter gegeben habe, der ihr das vielleicht alles finanziert habe, reagierte er sehr heftig und beteuerte, sie sei kein schlechtes Mädchen gewesen. Völlig erstaunt war er, als ich von dem Baby erzählte. Davon wisse er nichts.«
    Ernestine berichtete weiter: »Aber auch bei den Frauen hatte man den Eindruck, dass sie ihre Worte mit Bedacht gewählt hatten. Sie gaben zu, Özlem hin und wieder, in letzter Zeit aber gar nicht mehr in der Domstraße besucht zu haben. Sie hätten sie nie nach ihren Einkünften befragt. Von einer Schwangerschaft oder einer Geburt hätten sie nichts gewusst. Dazu gibt es übrigens interessante Aussagen aus der Nachbarschaft in der Domstraße. Zwar wussten die Nachbarn wenig bis gar nichts, aber einigen war aufgefallen, dass in letzter Zeit häufiger eine Türkin mit Kinderwagen

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