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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Schlüssel zu Florian Sauers Wohnung? Stephan griff zu der Telefonliste, die neben seinem Telefon in einer Klarsichthülle deponiert war, und suchte die Nummer von Frank Günther heraus.
    »Griminaldechnik Gündä!«, bellte dieser kurz darauf mit deutlich hessischem Akzent ins Telefon und ließ durch sein heftiges Atmen den Anrufer am anderen Ende hörbar spüren, dass er gerade mit Arbeit überlastet war. »’tschuldigung, nur ganz kurz«, wehrte Stephan daher bereits im Vorfeld ab. In der Leitung grunzte es als Antwort, was Stephan als Genehmigung zum Vortrag seines Anliegens interpretierte.
    »Habt ihr euch auch den Flur der Wohnung Onurhan vorgenommen?«
    Ein verächtliches Schnauben ertönte. »Mir habbe uns alles vorgenomme. Wieso fräschs denn du des?«
    »Dort gab es eine Hakenleiste für Schlüssel, habt ihr ein Protokoll erstellt, welche Schlüssel sich dort befunden haben, und versucht, herauszufinden, wozu sie gehören?«
    Am anderen Ende der Leitung wurde gestöhnt wie unter einer schweren Last. »Was e Fraaach«, erwiderte Günther, und eine Weile war nur noch das Rascheln von Papier zu vernehmen.
    »So. Hier isses! Nix dadevo«, vermeldete der Kriminaltechniker schließlich.
    Stephan hakte nach: »Was soll das heißen?«
    Und Frank Günther wiederholte seine Botschaft in anderen Worten, wobei er sich bemühte, seine Vorstellung von Hochdeutsch anzuwenden: »An derer besagten Hagenleiste befand sich kein Schlüsselbund. Der einzige Schlüsselbund, wo mir gefunne habbe, war in dere Handtasche von der Onurhan, un den has du dir ja am Freidach von mir aushändische lasse. Da warn übrischens drei Schlüssel dran, von dene mir net rekonstruiern konnde, wozu die gehörn. Wann krisch isch des eischendlisch zurick?«
    »Die Tage«, antwortete Stephan knapp und fügte dann aber noch hinzu: »Danke, Frank, hast mir sehr geholfen.«
    Günther grunzte, dann wurde das Gespräch unterbrochen.
    Stephan legte den Hörer zurück und starrte nachdenklich aus dem Fenster hinaus zu den Bäumen des Dreieichparks. Heute war das Wetter trüb, und in der Frühe auf dem Weg zur Arbeit hatte er beobachtet, wie der erste Reif auf den Blättern lag. Jetzt hatte sich der eisige Überzug verflüchtigt, und grauer Nebel waberte zwischen den Stämmen.
    Das passt zu diesem undurchsichtigen Fall, dachte Stefan. Wie war es zu erklären, dass nach dem Tod der Frau diese Schlüssel in die Wohnung gelangt waren? Er würde dringend mit Florian Sauer sprechen müssen. In dem Moment wurde die Bürotür aufgestoßen, und Heck donnerte mit der Wucht seiner vollen Größe durch den Türrahmen. Es wehte frische, erdige Herbstluft mit herein, die ein wenig mit kaltem Zigarettenrauch angereichert war. Die Frische in den Kleidern brachte er mit, weil er wie Stephan viele Wege mit dem Fahrrad zurücklegte. Heck war eingefleischter Nichtraucher, und der Geruch nach Rauch rührte daher, dass er vermutlich schon wieder irgendwo neben der qualmenden Ernestine gestanden hatte.
    Stephan war es ein Rätsel, was diesen Mann ständig in die Nähe dieser Frau trieb. Aber eigentlich ging es ihn ja auch nichts an. Er klappte schnell den Aktendeckel zu, den er vor sich liegen hatte, was Heck sofort mit einem aufmerksamen Blick registrierte.
    »Moin, Kollege«, sagte er und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken, der unter dem Gewicht ächzte. »Wir sollten uns wieder einmal über den Stand der Dinge austauschen. Berichte mal, was du herausgefunden hast aus dem beruflichen Umfeld der Toten.«
    Stephan zuckte mit den Schultern. »Nicht viel. Die haben eine ziemliche Personalfluktuation da in der Praxis. Kaum einer kann sich an sie erinnern. Sie muss recht unauffällig gewesen sein.«
    »Und sonst hast du mir nichts zu sagen?«, hakte Heck weiter nach. Er beugte sich vor und schielte über den Rand seiner Lesebrille.
    Stephans Hand ruhte auf dem geschlossenen Aktendeckel, so dass die Beschriftung nicht lesbar war.
    »Nein«, antwortete Stephan mit unschuldigem Schulterzucken.
    »Und das da?«, fragte Heck und nickte in Richtung des Schlüssels.
    »Ach das«, meinte Stephan, »ist ein Schlüssel.«
    »Hm.« Heck nickte stumm, seufzte schließlich tief und wandte den Blick in Richtung Fenster. Er starrte in die Ferne und sagte leise: »Schade.«
    »Schade? Wieso?«, fragte Stephan.
    Heck sah Stephan fest in die Augen. »Schade, weil ich nach dem, was ich über dich gehört hatte, große Stücke auf dich hielt und richtig froh war, dich hier in unserer

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