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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Befragung«, korrigierte er.
    Ihre Blicke begegneten einander herausfordernd. Keinem fiel auf Anhieb noch etwas ein. Sie hatten ihr Pulver verschossen und schienen beide zu spüren, wie albern die Auseinandersetzung war. Er zwinkerte belustigt. Um ihre Mundwinkel zuckte es.
    »Tatü-tata, Herr Kommissar«, neckte sie. »Vermuten Sie in dem netten Altmöbelhändler einen getarnten Massenmörder, der seine Opfer häutet und in antiken Goldrahmen zum Trocknen aufspannt?« Lars erstarrte, und Maren amüsierte sich über die plötzliche Blässe seines Gesichtes. Sie kletterte wieder über den Karton und schlang ihm die Arme um den Hals. »Hat es dich jetzt erschreckt, wie viel kriminelle Phantasie in mir steckt?«
    Er umfasste ihre Oberarme, als wolle er sie fortziehen, und sagte leise: »Das ist kein Spaß, Maren. Es gibt immer wieder mal Fälle, in denen sich jemand, als Käufer oder Mieter getarnt, Zutritt in die Wohnungen alleinstehender Frauen verschafft.«
    Die ernste Sorge in seinem Gesicht schmeichelte ihr, und sie fragte sanft: »Hat das etwas mit einem konkreten Fall zu tun, an dem du gerade arbeitest?«
    Sein Gesicht blieb ernst und unbeweglich. Er schüttelte leicht den Kopf. »Nichts Konkretes«, meinte er.
    Sie atmete unmerklich auf und lächelte versöhnlich.
    »Jedenfalls könnte ich dir diesen Termin abnehmen. Ich bin der geborene Möbelverkäufer«, schlug er in bemüht harmlosem Ton vor.
    Maren stimmte lachend zu.

[home]
    Montag, der 15. Oktober
    L ars Stephan saß an seinem Schreibtisch und betrachtete nachdenklich das Schlüsselbund, welches er in den Händen hielt. Er ließ die Ereignisse des Samstags noch einmal Revue passieren. Er hatte sich seinen Blaumann angezogen, ein Kleidungsstück, das sich für ihn in vielerlei Hinsicht bereits als praktische Anschaffung erwiesen hatte. Am Samstag war er somit in das Outfit eines Handwerkers geschlüpft. Mit dem Schlüssel der Schließanlage hatte er die Haustür in der Domstraße geöffnet, wohl wissend, dass er am Wochenende keine Gefahr lief, dem Hausmeister der Anlage zu begegnen. Der Blaumann war eine Art Tarnhemd. Gewitzte Diebe wussten das längst. Gewitzte Polizisten auch. Er benutzte nicht den Fahrstuhl, sondern näherte sich der Wohnung über die Treppen. So war er besser in der Lage, jede Bewegung im Haus zu registrieren. Als er Özlems Wohnungstür passierte, öffnete sich diese plötzlich. Stephan war abrupt stehen geblieben und hatte beobachtet, wie zwei Frauen in langen Mänteln und mit weit über die Stirn gezogenen Kopftüchern die Wohnung verließen. Die eine war etwa einen Kopf kleiner als die andere. Sie unterhielten sich angeregt, vermutlich in türkischer Sprache, und nahmen keine Notiz von ihm. Die eine schloss die Wohnung sorgfältig ab. Vielleicht war ja sogar eine von den beiden Sümeyye, Özlems Schwester, gewesen, doch wirklich zu erkennen waren die Gesichtszüge wegen der Tücher nicht. Schuhgröße achtunddreißig und vierzig könnte hinkommen, sinnierte er.
    Wie er vermutet hatte, passte der Schlüssel zur rechten Wohnung eine Etage höher. Am Türschild war der Vorname ausgeschrieben: Florian Sauer.
    Stephan nestelte einen neuen Aktendeckel aus dem Schrank neben der Tür und versah ihn mit dem Namen. Inzwischen hatte er einiges zum privaten Hintergrund der Person recherchiert. Er las seine Notizen noch einmal durch:
Florian Sauer.
23
 Jahre alt. Geboren in Offenbach,
1
. Wohnsitz bei den Eltern auf dem Buchhügel, gute Gegend, sagt Heck. Mutter: Jutta Sauer, Krankengymnastin. Vater: Lutger Sauer, Chefarzt an Privatklinik im Vordertaunus, »Storchennest«, ist eine Art Guru für Eltern mit unerfülltem Kinderwunsch. Wohnung Domstraße: Florians Zweitwohnsitz. Eigentümer: die Eltern.
    Stephans Gedanken wanderten zurück zu seiner Unternehmung am Samstag. Als auf das Klingeln hin niemand reagierte, hatte er die Tür mit dem Schlüssel geöffnet und die Wohnung gründlich durchsucht. Bücher, Unterlagen und Utensilien wiesen darauf hin, dass der Wohnungsinhaber Medizin studierte und als Rettungssanitäter arbeitete.
    Küche und Bad wirkten unbenutzt. Ein Topf Basilikum ließ bedrohlich die Blätter hängen. Auf dem kleinen Balkon drängte sich eine stattliche Anzahl von welkenden Blütenpflanzen in großen Kübeln. Florian Sauer war offensichtlich seit mehreren Tagen nicht mehr in seiner Wohnung gewesen.
    Lars Stephan ergänzte mit diesen Notizen seine Unterlagen und runzelte die Stirn.
    Wieso besaß Özlem Onurhan einen

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