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Das Versprechen des Opals

Das Versprechen des Opals

Titel: Das Versprechen des Opals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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erheben würde, ließ ihn stocken, als er nach dem Türknauf griff. Die Bigotterie war beiden Seiten angeboren. Hatte er die Charakterstärke, Generationen von Beecham-Ffords die Stirn zu bieten und seinem Herzen zu folgen? Konnte Maureen mit der standfesten Tradition des Hasses auf die Engländer brechen und mit ihm davonlaufen?
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden«, murmelte er, riss die Tür auf und marschierte die matt erleuchtete Galerie entlang.
    Beecham Hall war ein quadratischer Steinbau, der fast ein Jahrhundert zuvor von einem reichen Vorfahren errichtet worden war. In einsamer Pracht stand er inmitten der Hügel, die Lough Leigh vor den Westwinden schützten, die vom Atlantik hereinfegten. Die hohen, eleganten Fenster boten einen Ausblick über den übertrieben gepflegten Garten und die geschwungene, von Heckenskulpturen gesäumte Zufahrt. In den kopfsteingepflasterten Stallhof gelangte man durch einen Torbogen in einer hübschen Mauer, die von Kletterrosen und Geißblatt überwuchert war, und verborgen hinter dem großen Waschhaus lag der Küchengarten.
    Das Haus war von gutem Weideland für Rinder und Pferde umgeben, und in den Wäldern gab es ungezählte Fasane für die Jagdgesellschaften, die sein Vater jedes Jahr veranstaltete. Der Fluss, der von Lough zum Meer floss, war sehr fischreich, und die Rudel von Rehen in der Parklandschaft boten frühmorgens einen anmutigen Anblick, auch wenn sie ein Alptraum für den Wildhüter waren, der die Wilderer abzuwehren hatte.Henry hatte den größten Teil seines Lebens hier verbracht; das grüne Irland war ihm lieber als London mit seinem Getriebe und dem rauchigen Nebel. Hier, in den grünen Hügeln an der zerklüfteten Küste, hatte man Platz zum Atmen. Und die Burgruinen und baufälligen Hütten hatten etwas nahezu Mystisches an sich, das seine Künstlerseele ansprach. Und dann natürlich dieses Haus: Er liebte die hohen Decken mit ihren zierlichen Stuckarbeiten und die gemütlichen Fensterbänke, auf denen er als Junge hinter den schweren Vorhängen gesessen und gelesen hatte. Aber am meisten liebte er das Sommerhaus, denn hier konnte er sich in seine Malerei vertiefen.
    Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen und spähte in die Nacht hinaus, während aus dem Salon leise Stimmen zu ihm heraufwehten. Dort draußen war das Sommerhaus, versteckt in einer entlegenen Ecke des Gartens, fast in Vergessenheit geraten, seit Vater neben dem Haus die Orangerie hatte bauen lassen. Henry nestelte an seiner Schleife und wünschte sich, er könne das Abendessen schwänzen und sich in seinen Schlupfwinkel flüchten – zu dem Gemälde, das fast fertig war. Aber die Pflicht rief, also eilte er seufzend das letzte Stück Treppe hinunter und durchquerte die Diele. Die Großvateruhr schlug acht, als er den Salon betrat.
    »Wo zum Teufel hast du gesteckt?«, fuhr Sir Oswald ihn an.
    Henry sah seinen Vater an, der breitbeinig wie immer vor dem Kamin saß. Sein Haar glänzte silbern im Lampenschein. Das vorzüglich geschnittene Jackett betonte seine Gestalt, die er durch die Jagd schlank hielt. »Ich war im Dorf, um Dan Finnigan zu holen«, antwortete Henry gleichmütig. »Und dann musste ich die nassen Kleider ausziehen.«
    »Hast aber ziemlich lange gebraucht, alter Junge«, näselte sein Bruder Thomas, und sein durchdringender Blick forschtein Henrys Miene nach irgendeinem Zeichen der Unaufrichtigkeit. »Du hast doch wohl nicht irgendwo eine appetitliche kleine Dirne versteckt, oder?« Er lachte schnaubend und strich sich das hellbraune Haar zurück. »Macht sicher Spaß, aber da muss einer schon ziemlich verzweifelt sein, wenn er an so einem Abend draußen unterwegs ist.«
    Henry funkelte den älteren Bruder an; ballte die Fäuste und schluckte seine Erwiderung herunter. Thomas verstand es, ihn zu reizen; er spürte seine Schwächen auf und verhöhnte sie dann.
    »Hier sind Damen anwesend«, dröhnte Sir Oswald. »Halt den Mund, Junge!«
    Thomas wurde rot. Er wandte sich ab und ging zu seiner Frau. Emma saß mit einer Handarbeit auf der niedrigen Chaiselongue und hielt den Blick gesenkt, als fürchte sie, dass man sie bemerken könne.
    »Komm zum Feuer, mein Lieber, und wärme dich auf.« Lady Miriam klopfte mit der flachen Hand neben sich auf die Couch. Sie und Henry wussten beide, wie leicht in dieser Familie Streitereien ausbrechen konnten, und Henry sah an der Haltung ihres Kinns, dass sie entschlossen war, jede Konfrontation zu vermeiden. »Wie geht es der

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