Das Versprechen des Opals
nach Lightning Ridge gefunden, und sie wusste, dass es ihre letzte sein würde. Aber es war wichtig, dass sie hinfuhr, denn sie hatte noch etwas zu tun, bevor ihr Leben vollendet war.
Lightning Ridge hat sich seit dem Beginn des Jahrhunderts nicht sehr verändert, dachte sie, als Frank sie die Hauptstraße hinunterfuhr. Inzwischen gab es natürlich Geschäfte, ein paar Motels und Hotels und sogar eine Neubausiedlung am Stadtrand. Aber die Hitze war immer noch unerträglich, und die Digger sahen aus, als wären sie alten Sepiafotos entstiegen, wie sie so im Schatten saßen, mit abgelaufenen Stiefeln, zerlumpten Kleidern und struppigen Bärten, die ihnen fast bis auf die Brust reichten. Miriam fühlte sich in die Vergangenheit zurückversetzt.
Sie lehnte sich auf dem Beifahrersitz zurück, fast überwältigt vom Heimweh nach diesen längst vergangenen Zeiten. Und als sie die Stadt verließen und auf einer schmalen, gewundenen Piste zwischen Buschwerk und staubigen Bäumen hindurchfuhren, empfand sie es noch schmerzlicher, denn diese Gegend hatte sich überhaupt nicht verändert.
Noch immer ragten überall Abraumhalden aus dem Busch, blutrote Erde inmitten von Salzbüschen, Buchsbaum, unechtemSandelholz, Wilga- und Orangenbäumen. Das Grün der wilden gelben Rüben wehte hin und her, vom Wind ausgesät und vom Regen zum Leben erweckt. Trauben von scharlachroten Beeren hingen an den Schlingpflanzen, die sich um die grauen Stämme der Gummibäume wanden, und das Licht, das golden durch die herabhängenden Zweige drang, verlieh dem Ort ein beinahe magisches Aussehen. Graue Wallabys und Kängurus beobachteten sie fluchtbereit aus dem Schutz der Büsche, und ihre Ohren bewegten sich wie Radarempfänger.
Rostige Wellblechhütten lehnten baufällig an Felsblöcken neben ausrangierten Maschinen und Förderrädern, die kreischten, wenn man sie drehte, um die Eimer mit den Steinen heraufzuziehen. Hier war das Leben, wie es immer gewesen war. Lightning Ridge war einzigartig, weil kein Großunternehmen das Ganze in seinen Besitz bringen durfte. Jeder Claim hatte in Privatbesitz zu bleiben und wurde argwöhnisch gegen alle Nachbarn verteidigt.
Miriam schaute aus dem Fenster und sah die kaputten Wohnwagen, die Steinhütten und zerlöcherten Zelte, die halb eingestürzten Holzbaracken. Geländewagen waren an die Stelle der Maultiere und Pferde getreten. Der Geist des Ortes jedoch hat sich nicht verändert, erkannte sie, als sie eine Schar zerlumpter Kinder in einem Haufen Abraum wühlen sah. Fast war es, als sehe sie sich selbst und Brigid, und es fröstelte sie.
»Lass uns durch die Stadt zurückfahren«, sagte sie, schloss das Fenster und schaltete die Klimaanlage ein. »Du weißt, wohin ich muss.«
»Wir werden uns die Achse brechen«, warnte er in seinem gewohnt verdrossenen Tonfall, während er um die Risse und Unebenheiten der unbefestigten Straße herummanövrierte und mit knapper Not einem riesigen Schlagloch auswich. Er schaltete herunter, und im Kriechtempo ging es weiter.
Miriam ignorierte ihn und wartete geduldig. Ihre Reise war fast beendet, und auf ein paar Minuten kam es jetzt nicht mehr an.
Der Friedhof erstreckte sich hinter einem rostenden weißen Zaun auf einem Plateau oberhalb der Stadt. Es gab nur wenige Bäume hier, und die harte Erde strahlte die Hitze ab. Hier und da glitzerten Glasscherben oder weggeworfene Kristallsplitter. Es gab weder eine Kirche noch säuberliche Reihen von marmornen Grabsteinen – nur ein paar Holzkreuze auf roten Erdhügeln.
Miriam ließ die Kette durch das Gitter gleiten und stieß das Tor auf. Trostlosigkeit herrschte an diesem stillen, verlassenen Ort; sie lastete auf Miriam, als sie zwischen diesen kläglichen kleinen Hügeln hindurchging.
Hier und da war eine Grabinschrift noch lesbar, und sie sah kleine Gaben, die Freunde dem Verstorbenen in die nächste Welt mitgegeben hatten. Ein Name, vielleicht nur der Spitzname des Mannes, war in ausgebleichtes Holz geschnitzt, ein paar verschossene Plastikblumen lagen so vergessen und verlassen da wie die Männer unter dieser schweren Erde.
Mit traurigem Lächeln sah sie die Bierflaschen, die zum Gedenken an das Lieblingsgetränk eines Verstorbenen hinterlassen worden waren – das ruhmlose Ende eines Lebens, das einmal voller Hoffnung gewesen sein mochte. Eine Zeit lang blieb sie am anderen Ende des Friedhofs stehen und lauschte den Vögeln, die in den Bäumen zwitscherten. Rosa-graue Wolken von Gallahs flogen auf ihre Schlaf
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