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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Sie in keiner Weise quälen, wir sind nur bemüht, die Wahrheit zu erfahren. Deshalb müssen wir uns an Sie wenden. Sie sind der wichtigste Zeuge.
    Sie müssen uns helfen.«
    »Jawohl, Herr Doktor«, antwortete der Hausierer und schien wieder etwas Mut zu fassen. Henzi stopfte sich eine Pfeife.
    »Was rauchen Sie, von Gunten?«
    »Zigaretten, Herr Doktor.«
    »Geben Sie ihm eine, Treuler.«
    Der Hausierer schüttelte den Kopf. Er starrte auf den Boden.
    Das Licht blendete ihn.
    »Stört Sie die Lampe?« fragte Henzi freundlich.
    »Sie scheint mir direkt in die Augen.«
    Henzi stellte den Schirm der Schreibtischlampe anders ein. »Ist es so besser?«
    »Besser«, antwortete von Gunten leise. Seine Stimme klang dankbar.
    »Sagen Sie mal, von Gunten, was verkaufen Sie eigentlich so für Gegenstände? Putztücher?« begann Henzi.
    »Ja, Putztücher auch.« Der Haussierer sagte es zögernd. Er wußte nicht, was diese Frage wollte.
    »Und weiter?«
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    »Schnürsenkel, Herr Doktor. Zahnbürsten. Zahnpasta. Seife.
    Rasiercreme.«
    » Rasierklingen ?«
    »Auch, Herr Doktor.«
    »Welche Marke?«
    »Gillette.«
    »Ist dies alles, von Gunten?«
    »Ich glaube, Herr Doktor.«
    »Schön. Doch ich glaube, Sie haben einiges vergessen«, sagte Henzi und hantierte an seiner Pfeife herum. »Sie will nicht ziehen«, meinte er, und dann fuhr er wie beiläufig fort: »Zählen Sie den Rest Ihrer Sächelchen ruhig auf, von Gunten. Wir haben Ihren Korb genau untersucht.«
    Der Hausierer schwieg.
    »Nun?«
    »Küchenmesser, Herr Doktor«, sagte der Hausierer leise und traurig. Schweißperlen glänzten auf seinem Nacken. Henzi blies eine Rauchwolke um die andere, ruhig, gemächlich, ein freundlicher junger Herr, voller Wohlwollen.
    »Weiter, von Gunten, was noch, außer Küchenmessern?«
    »Rasiermesser.«
    »Warum zögerten Sie, das zuzugeben?«
    Der Hausierer schwieg. Henzi streckte scheinbar gedankenlos die Hand aus, als wollte er sich wieder mit der Lampe beschäftigen. Er nahm jedoch die Hand wieder fort, als von Gunten zusammenzuckte. Der Wachtmeister starrte den Hausierer unverwandt an. Er rauchte eine Zigarette um die andere. Dazu kam Henzis Pfeifenrauch. Die Luft im Zimmer war zum Ersticken. Ich hätte am liebsten die Fenster geöffnet. Aber die geschlossenen Fenster gehörten zur Methode.
    »Das Mädchen wurde mit einem Rasiermesser getötet«, stellte Henzi nun diskret und wie zufällig fest. Schweigen. Der Hausierer saß zusammengesunken, leblos auf seinem Sessel.
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    »Lieber von Gunten«, fuhr Henzi fort, indem er sich zurücklehnte, »reden wir unter Männern. Wir brauchen uns nichts vorzumachen. Ich weiß, daß Sie den Mord begangen haben. Aber ich weiß auch, daß Sie ebenso erschrocken über die Tat sind wie ich, wie wir alle. Es ist einfach über Sie gekommen, Sie wurden auf einmal wie ein Tier, Sie überfielen und töteten das Mädchen, ohne daß Sie wollten, und ohne daß Sie anders konnten. Etwas war stärker als Sie. Und als Sie wieder zu sich kamen, von Gunten, waren Sie maßlos erschrocken. Sie liefen nach Mägendorf, weil Sie sich stellen wollten, doch jetzt haben Sie den Mut verloren. Den Mut zum Geständnis. Sie müssen diesen Mut nun wieder finden, von Gunten. Und wir wollen Ihnen dabei helfen.«
    Henzi schwieg. Der Hausierer schwankte auf seinem Bürosessel ein wenig. Es schien, als bräche er gleich zusammen.
    »Ich bin Ihr Freund, von Gunten«, behauptete Henzi, »nützen Sie diese Chance.«
    »Ich bin müde«, stöhnte der Hausierer.
    »Das sind wir alle«, antwortete Henzi. »Wachtmeister Treuler, verschaffen Sie uns Kaffee und später Bier. Auch für unseren Gast von Gunten, wir sind fair bei der Kantonspolizei.«
    »Ich bin unschuldig, Kommissär«, flüsterte der Hausierer heiser, »ich bin unschuldig.«
    Das Telephon klingelte; Henzi meldete sich, hörte aufmerksam hin, hängte auf, lächelte.
    »Sagen Sie mal, von Gunten, was haben Sie eigentlich gestern zu Mittag gegessen?« fragte er gemächlich.
    »Bernerplatte.«
    »Schön, und was noch?«
    »Käse zum Dessert.«
    »Emmentaler, Greyerzer?«
    »Tilsiter und Gorgonzola«, antwortete von Gunten und wischte sich den Schweiß aus den Augen.
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    »Man ißt gut bei Hausierern«, antwortete Henzi. »Und weiter haben Sie nichts gegessen?«
    »Nichts.«
    »Ich würde scharf nachdenken«, ermahnte ihn Henzi.
    »Schokolade«, kam es von Gunten in den Sinn.
    »Sehen Sie, doch noch etwas«, nickte ihm Henzi aufmunternd zu. »Wo haben Sie die

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