Das Versprechen
der Junge.
Dann muß ich wohl, antwortete ich und hielt ihm mein Paket Parisiennes hin. Danke, sagte der Sommersprossige, Feuer habe ich selbst. Dann blies er den Rauch durch die Nase. Das tut gut, nach dem totalen Mißerfolg der Fischerei, erklärte er großtuerisch. Na, meinte ich, deine Kameraden scheinen aber eine größere Ausdauer als du zu haben. Sie fischen weiter, und sicher werden sie bald etwas fangen. Das werden sie nicht, behauptete der Junge, höchstens eine Äsche. Du möchtest wohl einen Hecht fangen, neckte ich ihn. Hechte interessieren mich nicht, antwortete der Knabe. Forellen. Aber das ist eine Geldfrage. Wieso? wunderte ich mich. Als Kind habe ich sie mit der Hand gefangen. Er schüttelte geringschätzig den Kopf. Das
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waren junge. Aber fangen Sie einmal einen ausgewachsenen Räuber mit der Hand. Forellen sind Raubfische wie die Hechte, doch schwieriger zu fangen. Dazu sollte man eben ein Patent haben, und das kostet Geld, fügte der Junge bei. Na, ihr macht es schließlich ohne Geld, lachte ich. Der Nachteil ist nur, erklärte der Junge, daß wir nicht an die richtigen Orte kommen.
Da sitzen eben die mit den Patenten. Was verstehst du unter einem richtigen Ort? fragte ich. Sie verstehen offenbar nichts vom Fischen, stellte der Junge fest. Das sehe ich ein, antwortete ich. Wir hatten uns beide auf die Uferböschung gesetzt. Sie stellen sich wohl vor, daß man die Angel einfach irgendwo ins Wasser werfen müßte? meinte er. Ich wunderte mich ein wenig und fragte, was denn da Falsches dabei sei?
Typisch für einen Anfänger, entgegnete der Sommersprossige und blies wieder den Rauch durch die Nase: Zum Fischen muß man vor allem zweierlei kennen: den Ort und den Köder. Ich hörte ihm aufmerksam zu. Nehmen wir an, fuhr der Knabe fort, Sie wollen eine Forelle fangen, einen ausgewachsenen Räuber.
Sie müssen nun zuerst überlegen, wo sich der Fisch am liebsten aufhält. An einem Ort natürlich, wo er gegen die Strömung geschützt ist, und zweitens, wo eine große Strömung ist, weil hier um so mehr Tiere vorbeigeschwommen kommen, also etwa flußabwärts hinter einem großen Stein oder noch besser: flußabwärts hinter einem Brückenpfeiler. Solche Orte sind natürlich leider von Patentfischern besetzt. Die Strömung muß unterbrochen werden, wiederholte ich. Sie haben es kapiert, nickte er stolz. Und der Köder? fragte ich. Da kommt es eben darauf an, ob Sie einen Raubfisch fangen wollen oder etwa eine Äsche oder einen Aalbock, die Vegetarier sind, war seine Antwort. Einen Aalbock zum Beispiel können Sie mit einer Kirsche fangen. Aber einen Raubfisch, eine Forelle also oder einen
Barsch müssen Sie mit etwas Lebendigem fangen. Mit einer Mücke, mit einem Wurm oder mit einem kleinen Fisch. Mit etwas Lebendigem, sagte ich nachdenklich und erhob mich.
Hier, sagte ich und gab dem Jungen das ganze Paket Parisiennes. Das hast du verdient. Jetzt weiß ich, wie ich
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meinen Fisch fangen muß. Zuerst muß ich den Ort suchen und dann den Köder.«
Matthäi schwieg. Ich sagte lange nichts, trank meinen Schnaps, starrte ins schöne Vorsommerwetter mit der Knallerei vor dem Fenster und zündete meine erloschene Zigarre wieder an.
»Matthäi«, begann ich endlich, »nun verstehe ich auch, was Sie vorhin mit dem Fischen meinten. Hier bei dieser Tankstelle ist der günstige Ort, und diese Straße ist der Fluß, nicht wahr?«
Matthäi verzog keine Miene.
»Wer von Graubünden nach Zürich will, muß sie benützen, will er nicht den Umweg über den Oberalppaß machen«, antwortete er ruhig.
»Und das Mädchen ist der Köder«, sagte ich und erschrak.
»Und jetzt weiß ich auch, wem es gleicht«, stellte ich fest.
»Dem ermordeten Gritli Moser.«
Wir schwiegen beide aufs neue. Draußen war es wärmer geworden, die Berge flimmerten im Dunst, und die Schießerei dauerte an, offenbar ein Schützenfest. »Begehen Sie da nicht eine Teufelei?« fragte ich endlich zögernd.
»Möglich«, gab er zur Antwort.
Ich fragte besorgt: »Sie wollen nun hier warten, bis der Mörder vorbeikommt, die Annemarie sieht und in die Falle gerät, die Sie ihm gestellt haben?«
»Der Mörder muß hier vorbeikommen«, antwortete er.
Ich überlegte. »Gut«, sagte ich dann, »nehmen wir an, Sie hätten recht. Es gebe diesen Mörder. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß es so ist. In unserem Beruf ist alles möglich. Aber glauben Sie nicht, daß Ihre Methode zu gewagt ist?«
»Es gibt keine andere Methode«,
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