Das Versprechen
erklärte er und warf den Zigarrenstummel zum Fenster hinaus. »Ich weiß vom Mörder nichts. Ich kann ihn nicht suchen. Also mußte ich sein nächstes Opfer suchen, ein Mädchen, und das Kind als Köder aussetzen.«
-7 8 -
»Schön«, sagte ich, »aber die Methode haben Sie von der Art und Weise des Fischens übernommen. Das eine deckt sich jedoch nicht ganz mit dem andern. Ein Mädchen können Sie doch nicht immer wie einen Köder in der Nähe der Straße halten, es muß doch auch zur Schule, es will doch auch fort von Ihrer verfluchten Landstraße.«
»Bald beginnen die großen Ferien«, antwortete Matthäi hartnäckig.
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich fürchte, daß Sie sich in eine Idee verrennen«, entgegnete ich. »Sie können doch nicht hier bleiben, bis etwas geschehen soll, was vielleicht gar nicht geschehen wird. Zugegeben, der Mörder kommt hier aller Wahrscheinlichkeit nach durch, aber damit ist doch noch nicht gesagt, daß er Ihren Köder ergreifen wird, um nun schon bei diesem Vergleich zu bleiben. Und dann warten Sie und warten ...«
»Auch beim Fischen muß man warten«, antwortete Matthäi störrisch.
Ich spähte aus dem Fenster, sah zu, wie die Frau den Oberholzer bediente. Sechs Jahre Regensdorf im ganzen.
»Weiß die Heller, weshalb Sie hier sind, Matthäi?«
»Nein«, erwiderte er. »Ich habe der Frau erklärt, es gehe mir nur darum, eine Haushälterin zu finden.«
Es war mir gar nicht wohl zumute. Der Mann imponierte mir zwar, seine Methode war ungewöhnlich, hatte etwas Grandioses. Ich bewunderte ihn auf einmal, wünschte ihm Erfolg, wenn auch vielleicht nur, um den gräßlichen Henzi zu demütigen; dennoch hielt ich sein Unternehmen für aussichtslos, das Risiko zu groß, die Gewinnchancen zu klein.
»Matthäi«, versuchte ich ihn zur Vernunft zu bringen, »noch ist es Zeit für Sie, den Posten in Jordanien doch anzunehmen, sonst werden die Berner Schafroth schicken.«
»Er soll nur gehen.«
Ich gab es immer noch nicht auf. »Hätten Sie keine Lust, bei uns wieder einzutreten?«
-7 9 -
»Nein.«
»Wir würden Sie vorerst im innern Dienst beschäftigen, zu den alten Bedingungen.«
»Ich habe keine Lust.«
»Sie können auch zur Stadtpolizei hinüberwechseln. Das müssen Sie sich doch schon rein finanziell überlegen.«
»Ich verdiene als Tankstellenbesitzer nun fast mehr als im Staatsdienst«, antwortete Matthäi. »Aber da kommt ein Kunde, und Frau Heller wird jetzt mit ihrem Schweinsbraten beschäftigt sein.«
Er erhob sich und ging hinaus. Dann mußte er gleich darauf einen weiteren Kunden bedienen. Den schönen Leo. Als er mit der Arbeit fertig war, saß ich schon in meinem Wagen.
»Matthäi«, sagte ich, indem ich mich verabschiedete, »Ihnen ist wirklich nicht zu helfen.«
»Es ist nun eben so«, antwortete er und gab mir das Zeichen, die Straße sei frei. Neben ihm stand das Mädchen im roten Röcklein, und in der Türe stand die Heller mit umgebundener Schürze, wieder voll Mißtrauen, wie ich an ihrem Blick sah. Ich fuhr zurück.
So wartete er denn. Unerbittlich, hartnäckig, leidenschaftlich. Er bediente seine Kunden, tat seine Arbeit, Benzin einfüllen, öl, Wasser nachfüllen, Scheiben wischen, immer die gleichen mechanischen Hantierungen. Das Kind war neben ihm oder beim Puppenhaus, wenn es von der Schule zurückkam, trippelnd, hüpfend, staunend, vor sich hin redend, oder saß singend auf der Schaukel mit fliegenden Zöpfen und rotem Röcklein. Er wartete und wartete. Die Autos fuhren an ihm vorbei, Wagen in allen Farben und allen Steuerklassen, alte Wagen, neue Wagen. Er wartete. Er schrieb die Fahrzeuge aus dem Kanton Graubünden auf, suchte im Verzeichnis nach ihren Besitzern, erkundigte sich telephonisch in den Gemeindeschreibereien nach ihnen. Die Heller arbeitete in einer kleinen Fabrik beim Dorfe gegen die Berge hin und kehrte nur abends über die kleine Anhöhe hinter dem Haus zurück, mit der Einkaufstasche und dem Netz voll Brot, und in den Nächten
-8 0 -
manchmal strich er ums Haus herum, leise Pfiffe, doch öffnete sie nicht. Der Sommer kam, heiß, endlos, flimmernd, lastend, mit gewaltigen Entladungen oft, und so brachen die großen Ferien an. Matthäis Chance war gekommen. Annemarie blieb nun stets bei ihm und damit bei der Straße, jedem sichtbar, der vorbeifuhr. Er wartete und wartete. Er spielte mit dem Mädchen, erzählte ihm Märchen, den ganzen Grimm, den ganzen Andersen, Tausendundeine Nacht, erfand selbst welche, tat verzweifelt
Weitere Kostenlose Bücher