Das Versprechen
dazwischen, die Voiture dampfte, und von der Straße her drang das Rollen des Verkehrs. Ich saß eben bei einer Leberknödelsuppe unter dem »Miró« und dachte an nichts Böses, als mich der Vertreter einer der großen Treibstoffirmen ansprach. Er setzte sich ohne weiteres an meinen Tisch. Er war leicht betrunken und übermütig, bestellte einen Marc und erzählte mir lachend, mein ehemaliger Oberleutnant habe den Beruf gewechselt und in Graubünden, in der Nähe von Chur, eine Benzintankstelle übernommen, welche die Firma schon habe aufgeben wollen, so unrentabel sei sie gewesen.
-6 9 -
Ich wollte dieser Nachricht zuerst keinen Glauben schenken.
Sie kam mir ungereimt vor, töricht, sinnlos.
Der Vertreter blieb dabei. Er rühmte, Matthäi stelle auch im neuen Beruf seinen Mann. Die Benzintankstelle floriere. Matthäi habe viele Kunden. Fast ausschließlich solche, mit denen er schon einmal beschäftigt gewesen sei, wenn auch in anderer Weise. Es müsse sich herumgesprochen haben, daß »Matthäi am Letzten« zum Tankwart avanciert sei, so kämen denn die
»Ehemaligen« mit ihren Motorfahrzeugen von allen Seiten angerückt und angeflitzt. Vom vorsintflutlichen Bewegungsmittel bis zum teuersten Mercedes sei alles vertreten. Die Tankstelle Matthäis sei eine Art Pilgerort für die Unterwelt der ganzen Ostschweiz geworden. Der Benzinverkauf steige gewaltig.
Soeben habe die Firma ihm eine zweite Tanksäule für Super eingerichtet. Sie habe ihm auch angeboten, ein modernes Gebäude anstelle des alten Hauses zu errichten, das er nun bewohne. Er hätte dankend abgelehnt und sich auch geweigert, einen Gehilfen einzustellen. Oft ständen die Wagen und Motorräder in Schlangen da, aber niemand werde ungeduldig.
Die Ehre, sich von einem ehemaligen Oberleutnant der Kantonspolizei bedienen zu lassen, sei offensichtlich zu groß.
Ich wußte keine Antwort. Der Vertreter verabschiedete sich, und als die Voiture herandampfte, hatte ich keinen rechten Appetit mehr, aß nur wenig, bestellte Bier. Später kam wie gewohnt Henzi mit seiner Hottinger, finster, weil eine Abstimmung nicht nach seinem Sinn ausgefallen war, hörte sich die Neuigkeit an. Er meinte, nun habe Matthäi eben doch den Verstand verloren, er habe es immer prophezeit, wurde auf einmal bester Laune, aß zwei Steaks, während die Hottinger ununterbrochen vom Schauspielhaus erzählte. Sie kenne dort einige Leute.
Darauf, einige Tage später, klingelte das Telephon. Während einer Sitzung. Natürlich wieder mit der Stadtpolizei. Die Leiterin eines Waisenhauses. Das alte Fräulein erzählte mir aufgeregt, Matthäi sei bei ihr erschienen, feierlich gekleidet, ganz in Schwarz, um offenbar einen seriösen Eindruck zu machen, und habe sie gefragt, ob er nicht aus dem Kreise ihrer
-7 0 -
Schutzbefohlenen, wie sie sich ausdrückte, ein bestimmtes Mädchen haben dürfe. Nur dieses Kind komme in Betracht; ein Kind zu haben, sei immer sein Wunsch gewesen, und jetzt, da er allein eine Garage im Graubündischen betreibe, sei er auch in der Lage, es zu erziehen. Selbstverständlich habe sie dieses Ansinnen abgelehnt, höflich, auf die Statuten des Heims hinweisend; aber mein ehemaliger Oberleutnant habe ihr einen so seltsamen Eindruck gemacht, daß sie es für ihre Pflicht gehalten habe, mich zu informieren. Dann hängte sie auf. Das war nun freilich sonderbar. Ich zog verblüfft an meiner Bahianos. Doch ganz unmöglich wurde Matthäis Benehmen für uns in der Kasernenstraße erst durch eine andere Affäre. Wir hatten ein höchst bedenkliches Subjekt herzitiert. Es handelte sich um einen inoffiziellen Zuhälter und offiziellen Damencoiffeur, der sich in einem von vielen Dichtern ausgezeichneten Dorfe über dem See äußerst wohnlich in einer stattlichen Villa eingerichtet hatte. Jedenfalls war der Taxi- und Privatwagenverkehr dorthin mehr als rege. Ich hatte kaum mit dem Verhör begonnen, da trumpfte er auf. Er strahlte vor Freude, uns seine Neuigkeit unter die Nase zu reiben. Matthäi hauste in seiner Tankstelle mit der Heller zusammen. Ich läutete sofort Chur an, dann den Polizeiposten, der dort zuständig war; die Nachricht stimmte. Ich verstummte, die Tatsache hatte mir die Sprache verschlagen. Der Damencoiffeur saß triumphierend vor meinem Schreibtisch, kaute an seinem Chewing-Gum. Ich kapitulierte, ordnete an, den alten Sünder in Gottes Namen wieder laufen zu lassen. Er hatte uns ausgespielt.
Der Vorfall war alarmierend. Ich war perplex, Henzi empört, der
Weitere Kostenlose Bücher