Das Versprechen
Staatsanwalt angewidert, und der Regierungsrat, dem es auch zu Ohren kam, redete von Schande. Die Heller war einmal unser Gast in der Kasernenstraße gewesen. Eine Kollegin von ihr - na ja, eine ebenfalls stadtbekannte Dame -war ermordet worden; wir hatten die Heller in Verdacht gehabt, mehr von der Affäre zu wissen, als sie uns erzählte, und später war sie kurzerhand aus dem Kanton Zürich gewiesen worden, obgleich, sah man von ihrem Beruf ab, eigentlich nichts gegen sie vorlag.
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Aber es sitzen eben immer Leute in der Verwaltung, die ihre Vorurteile haben. Ich beschloß, einzugreifen, hinzufahren. Ich spürte, daß Matthäis Handeln mit Gritli Moser zusammenhing, begriff aber nicht, wie. Mein Nichtwissen machte mich wütend und unsicher, dazu kam auch die kriminalistische Neugier. Als Mann der Ordnung wollte ich in Erfahrung bringen, was hier gespielt wurde.
Ich machte mich auf den Weg. Mit meinem Wagen, allein. Es war Sonntag, wieder einmal, und es kommt mir - indem ich nun rückblicke - vor, als habe sich überhaupt viel Wichtiges in dieser Geschichte an Sonntagen abgespielt. Glockengeläute überall, das ganze Land schien zu bimmeln und zu dröhnen; dazu geriet ich noch irgendwo im Kanton Schwyz in eine Prozession. Auf der Straße ein Wagen nach dem andern, im Radio eine Predigt nach der andern. Später schoß, pfiff, knatterte und bollerte es bei jedem Dorf in den Schießständen.
Alles war in monströser, sinnloser Unruhe, die ganze Ostschweiz schien in Bewegung geraten zu sein; irgendwo gab es ein Autorennen, dazu eine Menge Wagen aus der Westschweiz; man fuhr familienweise her, ganze Sippschaften rollten heran, und als ich die Tankstelle endlich erreichte, die Sie ja auch kennen, war ich von all dem lärmenden Gottesfrieden erschöpft. Ich schaute mich um. Die Tankstelle machte damals nicht den vernachlässigten Eindruck wie heute.
Sie war vielmehr freundlich, alles sauber und in den Fenstern Geranien. Auch war noch keine Schenke vorhanden. Alles hatte etwas Solides und Kleinbürgerliches. Dazu kam, daß überall, der Straße entlang, Gegenstände auf ein Kind hinwiesen, eine Schaukel, ein großes Puppenhaus auf einer Bank, ein Puppenwagen, ein Schaukelpferd. Matthäi selbst bediente soeben einen Kunden, der sich hastig mit seinem Volkswagen davonmachte, als ich aus meinem Opel stieg.
Neben Matthäi stand ein Mädchen, sieben- oder achtjährig, eine Puppe im Arm. Es war blondzöpfig und hatte ein rotes Röcklein an. Das Kind kam mir bekannt vor, doch wußte ich nicht, weshalb, denn der Heller glich es eigentlich gar nicht.
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»Das war doch der rote Meier«, sagte ich und wies auf den Volkswagen, der sich entfernte. »Erst vor einem Jahr entlassen.«
»Benzin?« fragt Matthäi gleichgültig. Er trug einen blauen Monteuranzug. »Super.«
Matthäi füllte den Tank, putzte die Scheibe. »Vierzehn dreißig.«
Ich gab ihm fünfzehn. »Es ist schon recht«, sagte ich, als er mir herausgeben wollte, bekam aber gleich darauf einen roten Kopf. »Verzeihen Sie, Matthäi, das ist mir nur so herausgerutscht.«
»Aber bitte«, antwortete er und steckte das Geld ein, »das bin ich gewohnt.«
Ich war verlegen, betrachtete aufs neue das Mädchen. »Ein nettes kleines Ding«, sagte ich. Matthäi öffnete die Türe meines Wagens. »Ich wünsche Ihnen eine gute Fahrt.«
»Na ja«, brummte ich, »ich wollte eigentlich einmal mit Ihnen reden. Zum Teufel, Matthäi, was soll dies alles?«
»Ich habe versprochen, Sie nicht mehr mit dem Fall Gritli Moser zu belästigen, Kommandant. Halten Sie nun Gegenrecht und belästigen Sie mich auch nicht«, antwortete er und kehrte mir den Rücken.
»Matthäi«, entgegnete ich, »lassen wir doch die Kindereien.«
Er schwieg. Nun begann es zu pfeifen und zu knallen. Irgendein Schießstand mußte auch hier in der Nähe sein. Es ging gegen elf. Ich sah zu, wie er einen Alfa Romeo bediente. »Der hat auch einmal seine dreieinhalb Jahre gesessen«, bemerkte ich, als sich der Wagen entfernte. »Wollen wir nicht hineingehen?
Die Schießerei macht mich nervös. Ich kann sie nicht leiden.«
Er führte mich ins Haus. Im Korridor begegneten wir der Heller, die mit Kartoffeln aus dem Keller kam. Sie war immer noch eine schöne Frau, und ich war als Kriminalbeamter etwas verlegen, schlechtes Gewissen. Sie schaute uns fragend an, einen Augenblick etwas beunruhigt, wie es schien, begrüßte mich dann aber freundlich, machte überhaupt einen guten Eindruck.
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»Gehört
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