Das Versprechen
sagte er.
Moser rührte sich nicht. Auch die Frau nicht, die immer noch in der Türe stand in ihrem roten Rock. Matthäi sah, wie dem Manne auf einmal Schweiß über das weiße Gesicht floß, Schweiß in Bächen. Er hätte gern weggeblickt, aber er war gebannt von diesem Gesicht, von diesem Schweiß, und so standen sie da und starrten einander an.
»Das Gritli ist ermordet worden«, hörte sich Matthäi sagen, mit einer Stimme, die ohne Mitgefühl zu sein schien, was ihn ärgerte.
»Das ist doch nicht möglich«, flüsterte Moser, »es kann doch keine solche Teufel geben«, und dabei zitterte die Faust mit dem Beil.
»Es gibt solche Teufel, Herr Moser«, sagte Matthäi.
Der Mann starrte ihn an.
»Ich will zu meinem Kinde«, sagte er fast unhörbar.
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Der Kommissär schüttelte den Kopf. »Das würde ich nicht, Herr Moser. Ich weiß, es ist grausam, was ich jetzt sage, aber es ist besser, wenn Sie nicht zu Ihrem Gritli gehen.«
Moser trat ganz nahe zum Kommissär, so nahe, daß sich die beiden Männer Auge in Auge gegenüberstanden.
»Warum ist es besser?« schrie er.
Der Kommissär schwieg.
Noch einen Augenblick lang wog Moser das Beil in der Hand, als wollte er zuschlagen, doch dann wandte er sich um und ging zu der Frau, die immer in der Türe stand. Noch immer ohne Bewegung, noch immer stumm. Matthäi wartete. Es entging ihm nichts, und er wußte auf einmal, daß er diese Szene nie mehr vergessen würde. Moser umklammerte seine Frau. Er wurde plötzlich von einem unhörbaren Schluchzen geschüttelt. Er barg sein Gesicht an ihrer Schulter, während sie ins Leere starrte.
»Morgen abend dürfen Sie Ihr Gritli sehen«, versprach der Kommissär hilflos. »Das Kind wird dann aussehen, als ob es schliefe.«
Da begann plötzlich die Frau zu sprechen.
»Wer ist der Mörder?« fragte sie mit einer Stimme, die so ruhig und sachlich war, daß Matthäi erschrak.
»Das werde ich schon herausfinden, Frau Moser.«
Die Frau schaute ihn nun an, drohend, gebietend.
»Versprechen Sie das?«
»Ich verspreche es, Frau Moser«, sagte der Kommissär, auf einmal nur vom Wunsche bestimmt, den Ort zu verlassen.
»Bei Ihrer Seligkeit?«
Der Kommissär stutzte. »Bei meiner Seligkeit«, sagte er endlich. Was wollte er anders.
»Dann gehen Sie«, befahl die Frau. »Sie haben bei Ihrer Seligkeit geschworen.«
Matthäi wollte noch etwas Tröstliches sagen und wußte nichts Tröstliches.
-1 8 -
»Es tut mir leid«, sagte er leise und wandte sich um. Er ging langsam den Weg zurück, den er gekommen war. Vor ihm lag Mägendorf mit dem Wald dahinter. Darüber der Himmel nun ohne Wolken. Er erblickte die beiden Kinder wieder, die am Straßenrand kauerten, an denen er müde vorüberschritt und die ihm trippelnd folgten. Dann hörte er plötzlich vom Hause her, hinter sich, einen Schrei wie von einem Tier. Er beschleunigte seinen Schritt und wußte nicht, ob es der Mann oder die Frau war, das so weinte.
Nach Mägendorf zurückgekehrt, sah sich Matthäi schon der ersten Schwierigkeit gegenüber. Der große Wagen des Überfallkommandos war ins Dorf gefahren und wartete auf den Kommissär. Der Tatort und seine nähere Umgebung waren genau untersucht und dann abgesperrt worden. Drei Polizisten in Zivil hielten sich im Walde verborgen. Sie hatten den Auftrag, die Passanten zu beobachten. Vielleicht, daß man so auf die Spur des Mörders käme. Der Rest der Mannschaft war in die Stadt zu bringen. Der Himmel war reingefegt, doch hatte der Regen keine Lockerung gebracht. Der Föhn lag immer noch über den Dörfern und Wäldern, brauste heran in großen weichen Stößen. Die unnatürliche schwere Wärme machte die Menschen böse, reizbar, ungeduldig. Die Straßenlampen brannten schon, obgleich es noch Tag war. Die Bauern waren zusammengeströmt. Sie hatten von Gunten entdeckt. Sie hielten ihn für den Täter; Hausierer sind immer verdächtig. Sie glaubten ihn schon verhaftet und umgaben den Wagen des Überfallkommandos. Der Hausierer hielt sich im Innern still. Er kauerte zitternd zwischen den steif sitzenden Polizisten. Die Mägendorfer rückten immer näher an die Wagen heran, preßten die Gesichter an die Scheiben. Die Polizisten wußten nicht, was sie tun sollten.
Im Dienstwagen hinter dem Überfallkommando befand sich der Staatsanwalt; auch er wurde festgehalten. Außerdem war noch der Wagen des Gerichtsmediziners eingeschlossen, der von Zürich gekommen war, und jener der Sanität mit der kleinen Leiche, ein weißes
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