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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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aufschauen.«
    Gelächter.
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    »Der Hausierer war demnach nicht allein im Tälchen«, stellte Matthäi fest. »Doch wir wollen weitersuchen. Parallel dem Walde führt eine Straße in die Stadt. Ist jemand diesen Weg gegangen?«
    »Der Gerber Fritz«, rief einer.
    »Ich habe den Weg gemacht«, gab ein schwerfälliger Bauer zu, der auf der Feuerspritze saß. »Mit dem Fuhrwerk.«
    »Wann?«
    »Um zwei.«
    »Von dieser Straße führt ein Waldweg zum Tatort«, stellte der Kommissär fest. »Haben Sie jemand bemerkt, Herr Gerber?«
    »Nein«, brummte der Bauer.
    »Oder vielleicht ein parkendes Automobil beobachtet?«
    Der Bauer stutzte. »Ich glaube«, sagte er unsicher.
    »Wissen Sie das bestimmt?«
    »Irgend etwas war dort.«
    »Vielleicht ein roter Mercedes Sportwagen?«
    »Möglich.«
    »Oder ein grauer Volkswagen?«
    »Auch möglich.«
    »Ihre Antworten sind reichlich unbestimmt«, sagte Matthäi.
    »Ich habe schließlich auf dem Fuhrwerk halb geschlafen«, gab der Bauer zu. »Das tut jeder in dieser Hitze.«
    »Dann will ich Sie bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, daß man auf einer öffentlichen Straße nicht schlafen sollte«, wies ihn Matthäi zurecht.
    »Die Pferde passen schon auf«, sagte der Bauer.
    Alle lachten.
    »Ihr überblickt nun die Schwierigkeiten, vor denen ihr als Richter steht«, stellte Matthäi fest. »Das Verbrechen wurde durchaus nicht in der Einsamkeit begangen. Nur fünfzig Meter von der Familie entfernt, die auf dem Felde arbeitete. Wäre sie aufmerksam gewesen, hätte das Unglück nicht geschehen
    -2 5 -

    können. Doch sie war sorglos, weil sie nicht im geringsten mit der Möglichkeit eines solchen Verbrechens rechnete. Sie hatte weder das Mädchen kommen sehen, noch die andern, die des Weges kamen. Der Hausierer war ihr aufgefallen, das ist alles.
    Aber auch Herr Gerber döste auf seinem Fuhrwerk vor sich hin und kann jetzt keine einzige wichtige Aussage mit der nötigen Genauigkeit machen. So steht die Sache. Ist damit der Hausierer überführt? Das müßt ihr euch fragen. Zu seinen Gunsten spricht schließlich, daß er die Polizei alarmiert hat. Ich weiß nicht, wie ihr als Richter vorgehen wollt, aber ich will euch sagen, wie wir von der Polizei vorgehen möchten.«
    Der Kommissär machte eine Pause. Er stand wieder allein vor den Mägendorfern. Benz war verlegen in die Menge zurückgekehrt.
    »Jeder verdächtige Mensch würde, ohne Rücksicht auf seine Stellung aufs genaueste geprüft, allen nur denkbaren Spuren würde nachgegangen, und nicht nur das, die Polizei anderer Länder würde eingesetzt werden, wenn sich dies als notwendig erwiese. Ihr seht, eurem Gericht steht wenig und uns ein Riesenapparat zur Verfügung, die Wahrheit zu ermitteln.
    Entscheidet jetzt, was geschehen soll.«
    Schweigen. Die Mägendorfer waren nachdenklich geworden.
    »Gebt ihr den Hausierer wirklich heraus?« fragte der Vorarbeiter.
    »Mein Wort«, antwortete Matthäi. »Wenn ihr auf der Herausgabe besteht.«
    Die Mägendorfer waren unschlüssig. Die Worte des Kommissärs hatten Eindruck gemacht. Der Staatsanwalt war nervös. Ihm kam die Sache bedenklich vor. Doch atmete er auf.
    »Nehmt ihn mit«, hatte ein Bauer geschrien.
    Die Mägendorfer bildeten stumm eine Gasse. Der Staatsanwalt zündete sich erlöst eine Brissago an.
    »Gewagt, wie Sie vorgegangen sind, Matthäi«, meinte er.
    Stellen Sie sich vor, Sie hätten Ihr Wort halten müssen.«
    -2 6 -

    »Ich wußte, daß dies nicht der Fall sein würde«, antwortete der Kommissär gelassen.
    »Hoffentlich geben Sie nie ein Versprechen, das Sie einhalten müssen«, sagte der Staatsanwalt und half seiner Brissago mit einem Streichholz zum zweitenmal nach, grüßte den Gemeindepräsidenten und machte sich zum befreiten Wagen auf.
    Matthäi fuhr nicht mit dem Staatsanwalt zurück. Er stieg zum Hausierer. Die Polizisten machten ihm Platz. Es war heiß im Innern des großen Wagens. Man wagte es immer noch nicht, die Scheiben hinunterzulassen. Obgleich die Mägendorfer Platz gemacht hatten, standen die Bauern immer noch da. Von Gunten kauerte hinter dem Chauffeur, Matthäi setzte sich zu ihm.
    »Ich bin unschuldig«, beteuerte von Gunten leise.
    »Natürlich«, sagte Matthäi.
    »Niemand glaubt mir«, flüsterte von Gunten, »auch die Polizisten nicht.«
    Der Kommissär schüttelte den Kopf. »Das bilden Sie sich nur ein.«
    Der Hausierer ließ sich nicht beruhigen. »Auch Sie glauben mir nicht, Herr Doktor.«
    Der Wagen setzte sich in

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