Das versteckte Experiment (German Edition)
tastete hinter sich und riss es von der Pinnwand. Schön war sie, die Sonne, die sie gezeichnet hatte. Es sah aus, als wäre sie von Hand gemalt worden. Obwohl es relativ dunkel war, oder gerade deshalb, sah Jan Details, die ihm vorher nie aufgefallen waren. Fast schien es ihm, als ob die Sonne lebendig wäre und ihm etwas sagen wollte. Er erinnerte sich an den Abend mit Sintja, an die Situation, als sie das Bild in Händen gehalten und er sich an sie geschmiegt hatte. Er spürte wieder ihre Haut und ihre Haare an seiner Wange. Wie ein Gefühlsfoto hatte er den Moment in seinem Gehirn gespeichert. Er wälzte sich aus der Hängematte, schaltete die Schreibtischlampe ein, richtete sie gegen die Wand und zündete die Kerze auf dem Couchtisch an. So ähnlich waren die Lichtverhältnisse an dem Abend gewesen. Nun betrachtete er das Gemälde wie Sintja unter verschiedenen Winkeln bei unterschiedlichem Lichteinfall. Unglaublich! Sie hatte genau das gesehen, was er jetzt sah. Und sie hatte ihm nichts gesagt. Ähnlich wie beim Farbtest für die Führerscheinprüfung war ein Schriftzug im Regenbogen versteckt, nicht sehr deutlich, aber offensichtlich genau unter diesen Lichtverhältnissen gerade sichtbar. „Kleine Sonne“ stand dort. Jan war mehr als überrascht. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Es war eine Nachricht von Christine an Sintja und er hatte nichts davon mitbekommen. Dass Christine solche Rätsel aufgab, passte schon zu ihr. Aber dass Sintja ihm nichts erzählt hatte? Na ja, vielleicht hatte auch sie ihr Vergnügen an dem kleinen Geheimnis und wartete darauf, dass er es entdeckte. Schließlich hatte sie ihm ja schon einen kleinen Hinweis in ihrer MMS vor einigen Tagen gegeben. Das alles war aber keine Erklärung für den abrupten Abbruch ihres Urlaubs. Hatte sie inzwischen auf ihrer Kopie noch mehr entdeckt? Jan untersuchte den Ausdruck noch genauer, unter ganz verschiedenen Blickwinkeln.
Da! In der linken unteren Ecke standen irgendwelche Zahlen. Mit etwas Mühe konnte er entziffern: 14 39 36.4951 und -60 50 02.308. Aufgeregt setzte er sich an seinen Schreibtisch, stöpselte den Netzstecker ein und schaltete seinen Computer an. Das Betriebssystem startete im abgesicherten Modus. Das Messengerfenster, das sich öffnete, schloss er direkt wieder, bevor das Programm aktiv war. Mit Christine wollte er jetzt nicht reden. Es dauerte viel zu lange, bis der Internetbrowser Verbindung zum Internet hatte. Er gab die Zahlenfolgen ein. Er setzte sie in Anführungszeichen. Die Suchmaschine fand gar keine passenden Ergebnisse. Ließ er die Anführungszeichen fort, so erhielt er hunderttausende Ergebnisse, mit denen er jedoch nichts anfangen konnte.
Jan dachte nach. Christine hatte ihm schon einmal Zahlen gegeben. Es waren die Koordinaten, die ihn zu den Kornkreisen geführt hatten. War das ein weiterer Ort auf der Landkarte, den sie ihm zeigen wollte? Jan tippte erneut die Zahlenfolge ein und ergänzte sie mit den Winkelgradzeichen: 14° 39’ 36.4951“. Es gab keinen Ort mit diesen Koordinaten. Jan probierte die andere Zahlenfolge mit den Winkelgradzeichen, aber auch das brachte keinen Erfolg. Irgendetwas mussten diese Zahlen bedeuten. Da war sich Jan sicher. Vielleicht waren es keine Koordinaten, sondern Zeiten. Jan probierte: 14h 39m 36.4951s.
Alpha Centauri A, Rektaszension 14 h 39 m 36.4951 s , Deklination -60° 50’ 02.308’’, Hauptstern des Doppelsternsystems Alpha Centauri, Gelber Zwerg wie die Sonne, 1,22-fache Sonnenmasse, Alter ca. 6,5 Milliarden Jahre. Oh nein, das konnte nicht wahr sein! Jan kam ein unglaublicher Verdacht in den Sinn. Christine war eine Außerirdische! Sie hatte ihm schon vor Tagen die Koordinaten ihres Heimatplaneten mitgeteilt, auf ihre Weise, als Rätsel. Er sollte selbst auf die Lösung des Rätsels kommen, was seine Zweifel an der Richtigkeit minimieren würde, wie bei den manipulierten Wissenschaftlern, die ihre Erkenntnisse unkritischer beurteilten, wenn sie sie für ihre eigenen hielten.
War Christine also eine Außerirdische oder gehörte auch die Zeichnung mit den Koordinaten zu ihrem Plan, ihn an der Nase herumzuführen? Das ergab wirklich keinen Sinn. Wenn er einmal davon absah, dass eine Außerirdische auf Erden völlig absurd war, stellte das eine wirklich plausible Erklärung für die Geschehnisse dar. Aber schon aus physikalischen Gründen konnte es nicht möglich sein, dass sie auf der Erde gelandet war und sich mit ihm unterhielt. Wegen der
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