Das verwundete Land - Covenant 04
um Linden deutlicher sehen zu können, und versuchte daran zu glauben, daß sie gesunden werde. Die Erste blickte ihn an. »Vertrau auf den Diamondraught «, sagte sie ruhig. »Sie wird genesen.«
Mühsam suchte und fand Covenant seine Stimme. »Sie braucht einen Verband. Eine Schiene. Man müßte die Verletzung säubern.«
»Wir werden dafür sorgen.« Das Zittern inneren Drucks, das in Hollians Stimme mitschwang, zeugte von ihrem Drang, Beistand zu leisten. »Sunder und ich ...« Covenant nickte nur wortlos, blieb an Lindens Seite, während die Steinhausener sich daran machten, Wasser zu erhitzen sowie das Schienen und Verbinden vorzubereiten. Linden wirkte in ihrer Schwäche unansprechbar. Covenant kniete mit verschränkten Armen auf dem Erdboden und sah zu, wie der Diamondraught sie in tiefen Schlaf entschlummern ließ. Er beobachtete die Sorgfalt, mit der Hollian, Sunder und Stell Lindens Fußknöchel wuschen und verbanden, das Bein anschließend fest schienten. Zur gleichen Zeit jedoch befiel eine sonderbare inwendige Zweiteilung Covenant – eine innerliche Spaltung, als weite sich die Kluft zwischen seiner Nutzlosigkeit einer- und seiner Machtfülle andererseits. Mittlerweile war er davon überzeugt – obwohl er sich davor fürchtete, es sich einzugestehen –, daß er, als er ins Land versetzt worden war, auf dem Kevinsblick seine Stichwunde, durch die ihm das Blut aus der Brust strömte, mit wilder Magie selber geheilt hatte. Er entsann sich des Widerwillens, den ihm Lord Fouls Refrain eingeflößt hatte. Du bist mein . Er erinnerte sich an Hitze und weißes Feuer ... Weshalb konnte er jetzt für Linden nicht das gleiche bewerkstelligen, ihre Knochen auf die gleiche Weise heilen, wie er seine Wunde geschlossen hatte? Aus demselben Grund, warum er kein Wasser aus der Erde holen oder das Sonnenübel vom Himmel fegen konnte. Weil seine Sinne zu stumpf waren für derartige Taten, unempfänglich für den Geist innerhalb der physischen Bedürfnisse ringsumher. Dahinter stak eindeutig Absicht, das mußte ein entscheidender Bestandteil der Pläne des Verächters sein. Offenbar versuchte Lord Foul bei jeder Gelegenheit, die sich bot, sowohl Covenants Macht wie auch seine Hilflosigkeit zu erhöhen, ihn so auf ein Streckbett des inneren Widerspruchs und der Zweifel zu spannen. Aber warum? Welchen Zweck strebte er damit an?
Darauf wußte Covenant keine Antwort. Er hatte zuviel Hoffnung auf Linden gesetzt, in ihre Fähigkeit zu heilen. Und Lord Foul hatte sie auch aus genau diesem Grund ausgewählt. Covenant vermochte nicht richtig nachzudenken. Das alles war zuviel für ihn. Er fühlte sich schwach und seines Seelenlebens beraubt. Einen Moment lang lauschte er dem Gejammer des Lauerers. Dann verließ er benommen Lindens Seite und kehrte zurück ans Lagerfeuer, um dort seine ausgekühlten Gliedmaßen zu wärmen.
Sunder und Hollian schlossen sich ihm an. Die beiden hielten einander, als empfänden auch sie die eisige Schwere der Bürde, die auf ihm lastete. Einige Augenblicke später brachten Hergrom und Harn Nahrung und Wasser. Covenant und die Steinhausener aßen wie die Überlebenden eines Schiffbruchs. Trotz des Essens nahm Covenants Abstumpfung zu. Sein Kopf war ihm so schwer wie in vollständiger Demütigung; ein gewaltiges Gewicht lag auf seinem Herzen. Er merkte kaum, wie die Erste der Sucher ans Feuer kam und sich mit Blankehans besprach. Er stand gebeugt an den Flammen wie jemand, der über die eigene Auflösung nachgrübelte. Als Blankehans sich an ihn wandte, verdunkelten Schleier der Müdigkeit den Sinn der Äußerungen des Riesen. »Die Erste hat gesprochen«, sagte Blankehans. »Wir müssen aufbrechen. Der Lauerer lebt noch, und die Skest weichen nicht. Wir müssen diese Stätte verlassen, solange sie verstreut sind und wir noch wider sie anzukommen vermögen. Sollte der Lauerer nun von neuem angreifen, hätte der Einsatz all deiner Macht – und aller Schmerz der Auserwählten – uns keinen Gewinn erbracht.«
Aufbrechen , wiederholte Covenant bei sich. Nun. Die Bedeutung dieser Begriffe blieb ihm verborgen. Sein Gehirn schien zu einem Grabstein geworden zu sein.
»Du sprichst die Wahrheit«, erwiderte Brinn an Covenants Stelle. »Es wäre uns eine Freude, mit euch Riesen zu ziehen, so wie in vergangenen Zeiten, den Berichten der alten Erzähler zufolge, oftmals Haruchai gemeinsam mit Riesen gezogen sind. Doch mag's sein, wir haben getrennte Wege zu beschreiten. Wohin gedenkt ihr zu gehen?« Die
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