Das verwundete Land - Covenant 04
unverletzt geblieben. Sie hielten ihre Fackeln über Linden in die Höhe.
Linden lag am Erdboden, ihr Kopf ruhte in Hollians Schoß. Neben ihr kniete Sunder, hielt ihr Bein still. Die Anstrengung ließ die Knöchel seiner Finger weißlich hervortreten; und er schnitt eine düstere Miene, als befürchte er, Linden um ihres Blutes willen opfern zu müssen. Die Erste stand in der Nähe, die Arme auf ihrem Kettenpanzer verschränkt, ähnelte von Groll erfülltem Mondlicht, während sie die auf Abstand befindlichen Skest beobachtete. Linden hatte die ganze Zeit hindurch nicht zu reden aufgehört; die Fetzen ihrer Stimme kontrapunktierten in unregelmäßiger Weise das Stöhnen des Lauerers. Immer wieder versicherte sie, vom Wasser gehe nun keine Gefahr mehr aus, der Lauerer habe sich zurückgezogen, er könne jetzt praktisch überall sein, er sei die Sarangrave selbst, vorwiegend wäre er jedoch ein Geschöpf des Wassers, die größte Gefahr müsse man stets im Wasser vermuten. Sie redete ununterbrochen weiter, um nicht zu schluchzen. Ihr linker Fuß stand in unmöglichem Winkel vom Bein ab. Knochensplitter hatten die Haut des Fußknöchels durchstoßen, und trotz des Drucks, den Sunders Hände ausübten, quoll aus den Wunden Blut.
Ihr Anblick drehte Covenant den Magen um. Auf einmal kniete er, ohne zu wissen, wie er hingelangt war, an ihrer Seite. Seine Kniescheiben schmerzten, als wäre er auf sie gefallen. Lindens Hände schlossen sich neben ihr zu Fäusten, lockerten sich wieder, als trachte sie nach irgend etwas, das ihr genug Halt geben konnte, um den Schmerz zu ertragen.
Unvermittelt kehrte die Erste den Skest den Rücken zu. »Riesenfreund«, sagte sie, »ihre Verletzung ist schwer. Wir haben Diamondraught . Einem jeden, der nicht die Größe von Riesen hat, kann er zu baldiger Linderung verhelfen.« Covenant wandte seinen Blick nicht von Lindens verkrampfter Miene. Er kannte Diamondraught ; es handelte sich dabei um ein Getränk der Riesen. »Auch hat der Trank eine starke Heilwirkung«, ergänzte die Erste, »und wir verwenden ihn bei uns zu Zwecken der Genesung.« Covenant hörte in ihrem ehernen Tonfall einen Anflug von Mitleid. »Doch keine Art des Heilens, die wir kennen, vermag einen solchen Bruch von Bein zu beheben. Es wird so verwachsen, wie's nun ist. Sie ...«
Sie würde körperbehindert bleiben. Nein. Zorn kam in Covenant auf, Ärger über die eigene Hilflosigkeit, Wut über Lindens Qual. Seine innerliche Ausgelaugtheit verlor alle Bedeutung. »Linden.« Er beugte sich vor, um ihren Blick auf sich zu ziehen. »Wir müssen mit deinem Fuß etwas unternehmen.« Ihre Finger krallten sich in die Erde. »Du bist Ärztin. Sag mir, was zu tun ist.« Ihr Gesicht glich einer Maske, war wächsern und schmerzlich. »Linden!«
Ihre Lippen waren weiß wie Gebein. Ihre Muskeln stemmten sich gegen Sunders Gewicht. Sie war am Ende ihrer Leidensfähigkeit angelangt. »Das Bein muß geschient werden«, antwortete sie mit leiser, heiserer Stimme. Klagelaute entstanden in ihrer Kehle; sie unterdrückte sie. »Bis übers Knie.«
Sofort machte Sunder Anstalten, dementsprechend zu verfahren. Doch die Erste winkte ihn beiseite. »Dazu bedarf's der Kraft eines Riesen.« Sie nahm Lindens Bein zwischen ihre beiden großen Hände, hielt es wie in einem steinernen Schraubstock.
»Laßt nicht zu, daß ich mich bewege.« Die Gefährten befolgten ihre Anweisung. Lindens Qual duldete kein Verweigern. Ceer faßte sie an den Schultern. Harn packte ihren einen, Sunder den anderen Arm. Brinn kauerte sich über ihr unversehrtes Bein. »Gebt mir was zum Draufbeißen.« Hollian riß aus dem Saum ihres Kleids einen Streifen, faltete ihn mehrfach zusammen, hielt ihn bereit. »Jetzt nehmt den Fuß.« Tränenlose Furcht erfüllte Lindens Augen. »Zieht ihn von der Bruchstelle weg. Kräftig. Ihr müßt ziehen, bis die Splitter alle wieder unter der Haut verschwunden sind. Dann dreht den Fuß in die richtige Stellung, so daß er mit der Lage des Beins übereinstimmt. Haltet den Fuß so, daß die Knochen sich nicht mehr verschieben. Wenn ich das Gefühl habe, daß alles seine Richtigkeit hat ...« – sie keuchte wie im Fieber, aber ihre ärztliche Ausbildung half ihr dabei, sich zu beherrschen – »werde ich nicken. Dann laßt den Fuß los. Schient das Bein. Bis über das Knie. Das ganze Bein muß geschient werden.« Nach diesen Erläuterungen schloß sie unverzüglich fest die Augen, öffnete den Mund, um auf Hollians Tuch zu
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