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Das verwundete Land - Covenant 04

Das verwundete Land - Covenant 04

Titel: Das verwundete Land - Covenant 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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klar, weshalb Sie wünschen, daß ich ihn aufsuche.«
    Die Tränensäcke unter seinen Augen gerieten ins Zittern, als wolle er Linden um Nachsicht anbetteln. »Ich kann's Ihnen nicht sagen.«
    »Sie können mir's nicht sagen.« Die Ruhe ihres Tonfalls verleugnete ihre schlechte Laune. »Inwiefern glauben Sie, daß ich irgendwie von Nutzen sein könnte, wenn ich nicht einmal weiß, warum ich mit ihm reden soll?«
    »Sie können möglicherweise ihn zum Reden bringen.« Dr. Berenfords Stimme klang nun ganz nach der Kläglichkeit eines hilflosen alten Mannes. »Das ist es, woran mir liegt. Ich möchte, daß er zu Ihnen Vertrauen faßt ... und Ihnen erzählt, was mit ihm vorgeht. Damit ich meine Versprechen nicht zu brechen brauche.«
    »Nun lassen Sie mich mal im Klartext reden.« Sie wendete keine weitere Mühe auf, um ihren Ärger zu verheimlichen. »Sie möchten, daß ich dort hinaus und zu ihm gehe und ihn rundheraus darum ersuche, mir seine Geheimnisse auszuplaudern. Eine völlig Fremde erscheint an seiner Tür und will wissen, was mit ihm los ist – aus keiner anderen Veranlassung, als daß Dr. Berenford eine zusätzliche Meinung einzuholen wünscht. Ich könnte von Glück reden, wenn er mich nicht wegen unbefugten Betretens seines Grund und Bodens verklagt.«
    Einen Augenblick lang nahm der Chefarzt ihren Sarkasmus und ihre Entrüstung still hin. Dann stieß er einen Seufzer aus. »Ich weiß. Genauso ist er – er würde Ihnen niemals von sich aus etwas verraten. Er hat sich schon seit so langem in sich selbst zurückgezogen ...« Im nächsten Moment klang seine Stimme aus schmerzlichem innerem Aufruhr regelrecht heftig. »Aber ich bin der Überzeugung, daß er einem Irrtum unterliegt.«
    »Dann sagen Sie mir, um was es sich dreht!« beharrte Linden.
    Dr. Berenford öffnete den Mund und schloß ihn wieder; seine Hände machten beinahe flehentliche Gesten. Aber da gewann er die Beherrschung zurück. »Nein. Das kommt später. Zuerst muß ich wissen, wer von uns im Irrtum ist. Soviel bin ich ihm schuldig. Mrs. Roman ist mir keinerlei Unterstützung. Es geht hier um eine ärztliche Entscheidung. Aber ich kann sie nicht fällen. Ich hab's versucht, aber ich kann's nicht.«
    Die Unumwundenheit, mit der er seine Unzulänglichkeit eingestand, belegte sie mit einem Bann. Sie war müde, verschwitzt und verbittert, und ihre Gedanken beschäftigten sich mit irgendeiner gangbaren Ausflucht. Doch diese Hilfsbedürftigkeit appellierte zu stark an die Antriebsmomente ihres gesamten Daseins. Sie hielt die Hände fest gefaltet wie eine Bekundung von Gewißheit. Einen Moment später schaute sie zu Berenford auf. Seine Gesichtszüge waren erschlafft, als hätte die Last seiner Sterblichkeit ihm die Muskeln ausgelaugt. »Liefern Sie mir einen Vorwand«, forderte Linden in ihrem professionellen Ton, »unter dem ich ihn aufsuchen könnte!«
    Sie vermochte Berenfords Aufseufzen der Erleichterung kaum auszuhalten. »Das kann ich tun«, versicherte er und entfaltete beflissene Lebhaftigkeit. Er langte in eine Jackentasche, holte ein Taschenbuch hervor und händigte es Linden aus: Die Schriftzüge auf dem langweiligen Titelbild lauteten:
     
    THOMAS COVENANT
    Oder meine Seele
    gegen Schuld zu tauschen
     
    »Bitten Sie ihn um ein Autogramm.« Der ältere Chefarzt hatte nun seinen Sinn für Ironie wiedergefunden. »Versuchen Sie, ihn zum Reden zu bringen. Wenn Sie es schaffen, seine Abwehrhaltung zu durchdringen, wird sich sicherlich so etwas ergeben.«
    Innerlich verwünschte Linden sich selbst. Sie hatte keine Ahnung von Romanen, sie wußte nicht einmal, wie man mit Fremden über irgend etwas anderes sprach als ihre Krankheitssymptome. Die Aussicht auf Situationen des Verlegenseins erfüllte sie schon jetzt mit einem Vorgeschmack von Scham. Doch sie hatte sich so lange inwendig gehärtet, daß kein Respekt mehr für jene Bestandteile ihres Innenlebens übrig war, die noch Scham empfinden konnten. »Wenn ich bei ihm gewesen bin«, sagte sie lasch, »möchte ich mit Ihnen über diese Sache sprechen. Ich habe noch kein Telefon. Wo wohnen Sie?«
    Angesichts ihrer Bereitwilligkeit nahm Dr. Berenford wieder sein vorheriges Gebaren an; von neuem wirkte er schrullig und betulich. Er erklärte ihr den Weg zu seinem Haus, wiederholte sein Angebot, ihr seinerseits, wenn möglich, behilflich sein zu wollen, und dankte ihr für die Bereitschaft, sich für Thomas Covenants Angelegenheiten zu interessieren. Als er sich verabschiedete, verspürte sie

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