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Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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über ihn gekommen, nach den Erlebnissen in der Ebene der Krieger seinen Weg weiterzugehen. Er war ihm, das wusste er tief in seinem Inneren, vom Schicksal vorgeschrieben.
    Aus diesem Grund war er hier und abermals in tödlicher Gefahr.
    Er schüttelte den Kopf, als könne er dadurch seine quälenden Gedanken loswerden, dann atmete er tief ein und aus. Obwohl sein Körper von dem wild schlagenden Ruder durchgeschüttelt wurde, fühlte er, wie die eisige Luft seinen Kopf klärte.
    »Wir schaffen es! Wir werden das Meer besiegen!« schrie er trotzig. Der Wind riss die Worte von seinen gefühllosen Lippen.
    »Uns frisst der Große Fisch!« keuchte Nottr aufgeregt.
    Donnernd fielen die Riesenwellen hinter dem Boot zusammen. Der Wind, der von der mächtigen Woge abgelenkt worden war, packte wieder den Seevogel. Das Boot wurde schneller, trotz der schweren Eisplatte, die sich vom Bug bis zum Heck erstreckte.
    Mythor suchte und fand die drei übereinanderstehenden hellen Sterne, die ihm als Wegmarke dienten. Er streckte den schmerzenden Arm aus und winkte Nottr. »Du steuerst, Nottr! Immer auf diese Sterne dort zu!« brüllte er.
    Schwerfällig stand Nottr auf und taumelte schwankend auf den Griff des Ruders zu. »Und du?«
    »Ich hacke das Eis auseinander und werfe es über Bord.«
    Mythor löste das Seil um seine Hüften und band Nottr fest.
    Im Augenblick verhielt sich das Boot einigermaßen ruhig. Aber das würde sich nach wenigen Atemzügen ändern.
    Nottr schüttelte sich und stieß eine dampfende Wolke Atem aus. »Du hast recht. Vielleicht schaffen wir's!« sagte er dumpf. Aber die Angst hielt ihn in ihren Krallen. Die Angst, unter sich einen Abgrund von tödlichem Wasser zu haben.
    »Je mehr wir uns fürchten, desto eher ertrinken wir«, versuchte Mythor zu spotten.
    »So ertrinken, wie ich mich fürchte, kann keiner«, antwortete Nottr, aber er sah die Sterne und hielt das Boot auf Kurs. Mythor griff in die Luft und fing ein Tau auf. Er hielt sich daran fest, zog unter den eisbedeckten Fellen sein Schwert aus dem Gürtel und machte einen Satz bis zum Mast. Dort klammerte er sich an und schlug mit dem Schwert senkrecht ins Eis, versuchte es dann mit der nadelscharfen Spitze und brach einen riesigen Brocken los.
    Er spaltete ihn in zwei Teile und bückte sich, ein Bein um die vereisten Schoten gehakt. Dann schaffte er es, den Eisriegel hochzuheben und über Bord zu kippen. Sein Vorhaben ging also auf.
    Wie ein Rasender schlug und stach er auf die Eisplatte ein. Die Bewegungen ließen ihn schwitzen und vertrieben ein wenig die Eiseskälte aus seinem Körper. Eisbrocken nach Eisbrocken flog über Bord. Das wenige Wasser, das über die Bordwände spritzte, störte Mythor nicht sonderlich. Sein Schwert schlug gegen den Mast. Das Holz dröhnte auf, und ein Hagel von kleinen Eisspeeren krachte herunter.
    »Du schaffst es, Mythor!« schrien Sadagar und Nottr.
    »Ich habe es allerdings bezweifelt«, murmelte Mythor.
    Das Schwert wirkte als Hebel. Immer wieder blieb die Spitze Altons im Holz stecken, aber die Planken waren dick genug. Kantige Brocken purzelten übereinander. Zweimal wurde Mythor beinahe über Bord geschleudert, aber es gelang ihm, sich
    an den Wanten oder am Mast festzuhalten.
    Zwei Drittel der Eisplatte waren beseitigt, als Nottr plötzlich aufschrie. »Mythor! Dort! Eine Spinne!«
    Mythor warf die letzten Eisbrocken über Bord und richtete sich auf, eine Hand an den Wanten, in der anderen das Schwert, dessen Griff durch den Handschuh hindurch seine klammen Finger wärmte.
    Nottr deutete nach Steuerbord. »Ich sehe sie!«
    Nur in seiner Gesamtheit wirkte diese Kreatur wie eine gewaltige Spinne. Ihr annähernd runder Körper tauchte aus dem Wasser auf und überzog sich in Blitzesschnelle mit weißem Eis. Die langen Beine, die sich tentakelartig bewegten, peitschten das Wasser in dem Versuch, dem Schiff näher zu kommen. Kiefer blitzten im Mondlicht auf. Sie öffneten und schlossen sich. Als nähere sich ein Krebs, ein aufrecht gehender Krake durch seichtes Wasser, so kam das Spinnenungeheuer heran.
    »Wir sind schneller als das Biest!« schrie Nottr.
    »Es scheint so.«
    Das Riesengeschöpf paddelte schnell heran. Aber der Lahme Seevogel neigte sich nach Backbord und wich in gefährlicher Fahrt aus. Das Wasser gurgelte und rauschte nur eine Handbreit unterhalb der offenen Bordwand. Mit zwei langen Armen, in deren Haaren oder Fell riesige Eiszapfen klapperten, griff das Spinnenungeheuer nach dem Heck des

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