Das vierte Opfer - Roman
aufgetaucht?« fragte er. »Im Mai, oder...?«
»Eher Anfang April, aber zuerst ist er noch diverse Male hin und zurück gefahren. Simmel ist im Februar in sein Haus gezogen.«
»Und welche Schlußfolgerungen ziehst du daraus?« fragte Kropke.
»Überhaupt keine«, erwiderte Beate Moerk. »Ich dachte nur, es wäre sinnvoll, sich das zu notieren.«
Van Veeteren suchte vergeblich in seiner Jackentasche nach Zahnstochern.
»Vielleicht gar keine dumme Idee«, murmelte er. »Ich glaube, ich mache jetzt mal einen Hausbesuch.«
Hausbesuch? dachte Kropke, als die Tür hinter dem Hauptkommissar ins Schloß fiel. Was für einen verdammten Hausbesuch?
Van Veeteren räusperte sich und drückte auf die Türklingel.
Wenn ich weiterhin herumrenne und auf gut Glück die Leute verhöre, dachte er, dann muß ich doch früher oder später auf ihn stoßen.
Natürlich nur, wenn es einer der Einheimischen war, und Bausen bestand mit einer gewissen Hartnäckigkeit darauf, daß dem so war – und wenn er es recht betrachtete, dann müßte
es schon mit dem Teufel zugehen, wenn dem nicht so wäre. So lief es ja meistens; das war schließlich seine Stärke und sein Vorteil – die Fähigkeit, zu spüren, wenn er dem Täter gegenübersaß. Seine fast weibliche Intuition, die selten fehlschlug.
Selten ...
Er drückte noch einmal auf den Klingelknopf. In dem neugebauten Haus waren Schritte zu hören, und eine Gestalt wurde hinter der halbtransparenten Glastür sichtbar.
»Einen Moment!«
Die Tür ging auf. Doktor Mandrijn hatte sich allem Anschein nach einen Mittagsschlaf gegönnt. Oder er war mitten am Nachmittag in irgendwelche Liebesspiele verwickelt gewesen. Das schwarze Haar stand ihm zu Berge, der Bademantel war zur Seite gerutscht, die Füße trampelten nackt auf dem weinroten Marmorfußboden herum.
Fünfunddreißig Jahre, rief Van Veeteren sich ins Gedächtnis.
Erfolgreicher praktischer Arzt und Familienvater. Intelligente Augen. Nicht besonders sportlich, ein wenig krumme Haltung. Vielleicht kurzsichtig? Er schob dem Mann seinen Ausweis unter die Nase.
»Hauptkommissar Van Veeteren. Haben Sie zehn Minuten Zeit?«
»Worum geht’s?«
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und knotete seinen Gürtel fest.
»Mord«, sagte Van Veeteren.
»Was... ach so«, hustete Mandrijn. »Es geht wieder um den Henker, nicht wahr? Eine widerliche Geschichte. Kommen Sie rein.«
Van Veeteren sah sich in dem hohen, mit hellem Holz verkleideten Zimmer um. Ein großes Panoramafenster führte den Blick auf einen jungfräulichen Rasen hinaus. Staubflusen tanzten in schräg hereinfallenden Sonnenstrahlen. Ihm war klar, daß das einmal sehr schön werden würde.
»Sie bauen selbst?«
Mandrijn nickte.
»Habe es jedenfalls entworfen und richte es ein. Wie man sehen kann, ist es noch nicht fertig, aber jedenfalls bewohnbar. Ich habe die ganze Nacht das Dach gestrichen. Deshalb habe ich mich jetzt kurz hingelegt. Heute nacht habe ich Dienst im Krankenhaus. Worum geht es? Ich habe bereits letzte Woche mit einem anderen Polizisten gesprochen...«
»Mit dem Leiter der Untersuchung, Bausen, ja. Ich wollte nur noch ein paar zusätzliche Auskünfte.«
Mandrijn bedeutete ihm, Platz zu nehmen, und Van Veeteren ließ sich auf dem einen der zwei im Zimmer vorhandenen Möbelstücke nieder.
»Sie haben also Simmels Haus in der Zeit gemietet, als er sich in Spanien befand?« begann er. »Warten Sie... ab 1993, stimmt das?«
»August 93, ja. Wir haben damals gleichzeitig eine Stelle im Krankenhaus bekommen, Catrine und ich – das ist meine Frau. Waren beide gerade mit der Ausbildung fertig, und wir wußten ja damals noch nicht, ob wir hier bleiben wollten oder nicht. Da paßte es uns ausgezeichnet, ein Haus zu mieten, statt eins zu kaufen oder zu bauen.
»Haben Sie Kinder?«
»Zwei ... die sind jetzt im Kindergarten«, fügte er fast entschuldigend hinzu. »Catrine arbeitet heute tagsüber. Möchten Sie etwas trinken?«
Van Veeteren schüttelte den Kopf.
»Und jetzt haben Sie beschlossen, hier wohnen zu bleiben?«
»Ja. Es gefällt uns hier ausgezeichnet. Nur daß wir damit gerechnet hatten, noch ein halbes Jahr in Simmels Haus bleiben zu können.«
»Die sind also früher zurückgekommen als geplant?«
»Ja, eigentlich war gar nicht geplant, daß sie überhaupt zurückkommen, aber auf jeden Fall hieß es, wir könnten fünf Jahre lang über das Haus verfügen. Ich nehme an, daß er geplant
hat, es zu verkaufen, wenn er sich da unten
Weitere Kostenlose Bücher