Das vierte Opfer - Roman
Moerk.
»Wie war er?«
»Simmel? Ein normaler Freier.«
»Wie pflegte er den Kontakt herzustellen?«
Marie Zelnik überlegte eine Weile.
»Meistens rief er am gleichen Tag an«, sagte sie. »Er hat nie eine Uhrzeit abgemacht, rief einfach aus der Kneipe an und fragte, ob er hochkommen könnte.«
»Und das konnte er.«
»Manchmal.
Beate Moerk suchte nach weiteren Fragen. Ihr wurde bewußt, daß sie sich diesmal besser hätte vorbereiten sollen. Hätte überlegen sollen, worauf sie eigentlich hinaus wollte.
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
»Ungefähr eine Woche, bevor er gestorben ist.«
»Wie wirkte er da?«
»Wie immer... geil und nicht besonders geduldig.«
Beate Moerk spürte zu ihrer Verzweiflung, daß sie rot wurde.
»Hat er Ihnen ab und zu mal was erzählt?«
»Was denn?«
»Von seinem Leben, seiner Familie, zum Beispiel? Von seiner Frau?«
»Nie.«
»Sie haben auch nicht gefragt?«
»Warum sollte ich?«
»Und er ... hat er bezahlt, was er sollte?«
Was für eine idiotische Frage! Beate Moerk spürte, wie sie die Kontrolle verlor. Sie sollte lieber zusehen, wie sie von hier wegkam, bevor sie etwas Unüberlegtes tat.
»Natürlich hat er bezahlt.«
Marie Zelnik betrachtete sie mit einem spöttischen Lächeln.
Die Inspektorin nahm noch einmal Anlauf.
»Und Ihnen ist nichts Besonderes an ihm aufgefallen. Etwas, das... Ihrer Meinung nach mit dem Mord zu tun haben könnte? Was wir wissen sollten?«
»Was sollte das denn sein?«
»Ich weiß es nicht«, gab Beate Moerk zu. »Wieviel nehmen Sie denn so?« rutschte es ihr heraus, bevor sie sich selbst bremsen konnte.
»Das kommt drauf an«, sagte Marie Zelnik.
»Kommt worauf an?«
»Na, wie man bumst natürlich. Da gibt es verschiedene Variationen, aber davon weiß die Frau Inspektor vielleicht nichts – und außerdem mache ich’s nur mit Männern.«
Du widerliches Schwein! dachte Beate Moerk. Sei bloß froh, daß ich dir nicht Bausen auf den Hals gehetzt habe. Sie saß eine Weile schweigend da und versuchte weitere Fragen zu finden, die sie dieser arroganten Hure stellen konnte, aber ihr fielen keine ein.
»Vielen Dank«, sagte sie und stand auf. »Das war ein interessantes Gespräch. Sehr interessant. Wenn ich nicht im Dienst wäre, würde ich wahrscheinlich auf diesen billigen Teppichfetzen hier kotzen...«
Und damit, sagte sie sich, hatte sie zumindest in gewisser Weise die Ordnung wiederhergestellt.
13
Am Dienstag schlief er aus.
Das hatte er sich wirklich verdient. Eine Woche war jetzt vergangen, seit er Ernst Simmel dort im Stadtwald ein Ende bereitet hatte, und es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß die Polizei irgendeine Spur hatte. Überhaupt keine.
Das hatte er auch nicht erwartet. Daß ihm die ersten beiden Morde relativ wenig Probleme bereiten würden, das hatte er
bereits von Anfang an gewußt. Aber mit Nummer drei bekam die Sache notwendigerweise eine andere Qualität. Den Leuten war eins klargeworden. Hier handelte es sich nicht um eine einmalige Tat, wie sie sich eingebildet hatten, als man Eggers fand. Kein Zufallsmörder, der sich ein weiteres armes Opfer suchte... sondern einer mit mehreren auf seiner Liste.
Mehrere, denen der Kopf abgeschlagen werden mußte, bevor die Gerechtigkeit wiederhergestellt worden war.
Im Traum überfielen ihn die Bilder immer noch, und genau wie er es erwartet hatte, trat jetzt der dritte in den Vordergrund. Er, der noch lebte und der jetzt an der Reihe war... doch es war kein deutliches Bild; es gab keine derartige Erinnerung an ihn, keine Momentaufnahme. Vielleicht diese Sofaecke, und wie er dort in dieser kühlen, leicht überlegenen Haltung gesessen hatte ... dieser junge, gut gekleidete Oberklassenschnösel, der aufgrund seiner Geburt und seiner gesellschaftlichen Stellung immer eine Hintertür fand. Der oben schwamm, wenn andere hinuntergezogen wurden. Trockenen Fußes und glatt gekämmt.
Der immer wieder auf die Beine kam, während andere zu Boden fielen und starben. Dieser Teufel, oh, wie er diese Aristokratie haßte, die für alles eine Entschuldigung wußte. Wenn er ihn mit den anderen verglich, war er der schlimmste von allen. In Feuerschrift stand es an der Wand. Er war der Anstifter. Er trug die größte Schuld, er sollte die schwerste Strafe erleiden... Auch aus diesem Grund war dieses Mal ein besonders sorgfältiges Vorgehen erforderlich. Daß er ein Fanal setzen wollte, etwas Besonderes, das war von Anfang an Teil seiner Pläne gewesen. Nicht,
Weitere Kostenlose Bücher