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Das vierte Opfer - Roman

Das vierte Opfer - Roman

Titel: Das vierte Opfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Hotelzimmer legte er sich aufs Bett, die Füße auf das Fußende. Dort lag er und starrte die Decke an, ohne etwas anderes zu tun, als zu rauchen und die Gedanken frei wandern zu lassen.
    Wieder war es zur Gewohnheit geworden, das Rauchen, wie immer, wenn die Arbeit ihm widerstrebte. Wenn eine Ermittlung nicht in die Bahnen floß, die er gegraben oder sich gewünscht hatte. Wenn sich alles nur verhakte – wenn der Durchbruch nie zu kommen schien.
    Aber noch war nicht alles verloren.
    Er dachte an Bausens Zwei-Wochen-Regel. Wenn sie stimmte, hatten sie noch fünf Tage Zeit. Er selbst hatte bis jetzt eine Woche in Kaalbringen verbracht, und wenn er seinen Einsatz bis zum heutigen Tag addierte, so kam er nicht weiter als bis zu der unangenehmen glatten, runden Zahl Null.
    Null und nichts.

    Ich will nicht noch fünf Tage warten, dachte er. Am Sonntag fahre ich nach Hause! Soll Hiller doch jemand anders schicken... Rooth oder deBries oder weiß der Kuckuck, wen. Auf jeden Fall hat niemand Freude daran, wenn ich hier noch länger herumfaulenze!
    Wohne im Hotel, trinke dem Polizeichef den Wein weg und bekomme beim Schach eins auf die Nase! Der berühmte Hauptkommissar Van Veeteren!
    Das einzige, sagte er sich, was die Situation verändern könnte, wäre wohl das, worüber Bausen schon vor ein paar Tagen spekuliert hatte.
    Daß er es nämlich wieder tat. Der Henker.
    Nicht gerade ein frommer Wunsch, aus der Sicht des angeforderten Gutachtens her gesehen. Laß ihn noch einem den Kopf abschlagen, dann kriegen wir ihn!
    Und gleichzeitig... gleichzeitig spürte er, wie sich ein merkwürdiges Gefühl in ihm breit machte. Daß die Zeit für sie arbeitete. Sie brauchten nur zu warten. Daß sich dieser Fall in einer Form lösen oder auflösen würde, die allen Regeln widersprach, und die weder er noch jemand sonst verhindern konnte oder auf die sie einwirken konnten.
     
    Nach diesen sich im Kreis bewegenden Gedanken und nach der vierten oder sogar fünften Zigarette legte Van Veeteren sich in die Badewanne. Während der folgenden Stunde durchdachte er dort alle denkbaren Folgen einer russischen beziehungsweise einer Nimzowitschen Spieleröffnung. Sehr viel handfestere Dinge also, aber auch hier kam er zu keinem abschließenden Ergebnis.

15
    Als Beatrice Linckx ihr Auto unten in der Leisner Allee abstellte und abschloß, schlugen die Glocken der Bungeskirche dreiundzwanzigmal. Sie war seit vier Uhr gefahren, hatte die letzte Runde der Konferenz geschwänzt, und jetzt sehnte sie sich nur nach drei Dingen.
    Einem Glas Rotwein, einem heißen Bad und Maurice.
    Sie warf einen Blick zur Wohnung im dritten Stock hinauf, sah, daß Licht in der Küche war, und zog daraus den Schluß, daß er dort oben saß und auf sie wartete. Zwar hatte sie ihn nicht erreicht, als sie versucht hatte, ihn von unterwegs anzurufen, aber er hatte ja gewußt, daß sie heute abend zurückkommen würde... sicher hatte er schon eine Flasche geöffnet, vielleicht hatte er auch ein paar warme Toasts vorbereitet. Zwiebelringe, Champignons, frisches Basilikum und Käse... Sie hob ihre Taschen aus dem Kofferraum, überquerte die Straße, noch steif von der Autofahrt, aber eifrig in den Bewegungen, eifrig, nach oben zu kommen. Nach Hause zu kommen.
     
    Was Beatrice Linckx nicht wußte, war, daß die Küchenlampe nun schon seit mehr als einem Tag brannte und daß sich Maurice zwar dort oben befand, aber ganz und gar nicht in der Verfassung, wie sie sich das dachte. Es gab auch keine warmen Toasts, und niemand hatte eine Flasche entkorkt... und in die Badewanne würde sie in den folgenden Stunden auch nicht kommen – und als sie es endlich durfte, war es die Badewanne einer Nachbarin und sie selbst in einem Zustand, den sie sich nie hätte vorstellen können.
    Die Tür war unverschlossen. Sie drückte die Klinke herunter und trat ein.
    Später gab es viele, die sich über ihr Verhalten wunderten. Sie selbst gehörte auch dazu. Aber was war schon normal in einer solchen Situation...
    Sie machte das Licht im Flur an. Ein paar Sekunden lang
betrachtete sie Maurice, packte dann wieder die Tasche, die sie abgestellt hatte, und ging rückwärts zur Tür hinaus. Zog sie hinter sich zu und ging die Treppen hinunter. Draußen auf dem Fußweg zögerte sie einen kurzen Moment, überquerte dann die Straße und setzte sich wieder ins Auto.
    Dort blieb sie sitzen, umklammerte das Steuer und versuchte den schweren Felsblock des Vergessens über die immer wieder aufblitzende

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