Das vierte Opfer - Roman
der Kommissar weiß ...«
»Ich weiß«, sagte Bausen.
»...na ja, und als ich da um die Ecke komme, auf die Hoistraat, meine ich, na ja, ich wollte ja nach links, wissen Sie, da sehe ich, wie eine Gestalt die Treppen runterrennt. Er kam von da hinten, ja dahinten aus der Richtung der Blauen Barke, so könnte man sagen, und er schien es verdammt eilig zu haben...«
»Eilig?«
»Ja, er ist die Treppen fast runtergesprungen, sozusagen...«
»Beschreib ihn!« sagte Bausen.
»Nun ja, das ging ja ziemlich schnell, aber er hatte so einen dünnen Mantel an, der etwas schlackerte... und dann einen Hut, irgendwie ein Schlapphut, und den hatte er so runtergezogen, daß ich keinen Fetzen vom Gesicht sehen konnte.«
»Welche Farbe hatte der Mantel?«
»Farbe? Nun ja, braun oder blau, so irgendwie... jedenfalls ziemlich dunkel.«
»Und der Hut?«
»Noch dunkler... aber nicht schwarz. Das alles ging so verdammt schnell, müssen Sie wissen, und ich habe es damals ja nicht so wichtig genommen... erst als Kovan mir erzählt hat, daß jemand Simmel totgeschlagen hat, ja, dann erst.«
»Kovan?«
»Kowalski... Radon Kowalski, er wohnt unter mir. Ein prima Kumpel.«
»Wann hast du es erfahren?«
»Wann? Ja, am nächsten Tag wohl – ja, dann muß es wohl gewesen sein, spät am Abend. Wir sind uns zufällig im Treppenhaus begegnet, und da hat er das gesagt. >Hast du gehört, daß der Henker Ernst Simmel umgebracht hat?< hat er gesagt.«
»Und trotzdem hast du so lange gewartet und bist erst gestern zur Polizei gegangen?« fragte Bausen streng. »Warum?«
Peerhovens schwieg und schaute in die Kaffeetasse.
»Ja... ich...«, stammelte er, »ich weiß nicht, wirklich nicht. Ich dachte wohl, es wäre nicht so wichtig....ein bißchen beschwipst war ich ja auch gewesen, aber dann habe ich es im Radio gehört ...«
»Wieviel hattest du am Dienstagabend getrunken?«
»Schwer zu sagen, schwer zu sagen«, überlegte Peerhovens. »Ich war ja ’n paar Stunden bei Klaarmann’s, da ist wohl schon einiges zusammengekommen. Und Wauters hatte auch noch eine Flasche von zu Hause mitgebracht.«
»Ich verstehe«, sagte Bausen. »Und du würdest die Person nicht wiedererkennen, wenn du ihr irgendwo begegnen würdest?«
Peerhovens schüttelte den Kopf.
»Wie sah er übrigens aus? Groß oder klein... kräftig oder dünn?«
»Nein, nein... das konnte ich so auf die Schnelle gar nicht feststellen. Irgendwas dazwischen, glaube ich. Nein, ich würde ihn nicht wiedererkennen.«
Bausen nickte.
»Dann den Mantel und den Hut? Oder die auch nicht?«
Peerhovens zögerte eine Weile und bekam noch eine Zigarette.
»Man dankt. Nein«, beschloß er schließlich, »ich kann mit Sicherheit sagen, daß ich die nicht wiedererkennen würde.«
Bausen seufzte tief auf. Stand auf und überließ Vincent Peerhovens seinem Schicksal. Jedenfalls ist er schlau genug einzusehen, daß es ein gewisses Risiko bedeutet, dachte er. Den Henker gesehen zu haben.
»Marie Zelnik?« fragte Beate Moerk.
Ihr war klar, daß die Frau auf dem roten Sofa einige Jahre jünger sein mußte als sie selbst, und das erfüllte sie mit einem sonderbaren Gefühl der Unsicherheit. Auf der einen Seite wurde dadurch eine Art schlummernder Beschützerinstinkt in ihr geweckt, auf der anderen Seite war sie gezwungen, ihren Widerwillen und ihre Verachtung zurückzuhalten. Den Ekel hinunterzuschlucken.
Die Animosität war übrigens gegenseitig, wie es schien. Marie Zelnik saß zurückgelehnt da, das eine Bein über das andere geschlagen, so daß ihr Lederrock demonstrativ hochrutschte. Sie rauchte und betrachtete ihre Fingernägel.
»Ich möchte nur ein paar Fragen stellen.«
»Bitte schön.«
»Sie leben davon, daß Sie sich prostituieren?«
»Unter anderem, ja...«
»Was machen Sie sonst noch?«
Keine Antwort.
»Ich möchte, daß Sie mir etwas über Ernst Simmel erzählen. Er war doch einer Ihrer Kunden, nicht wahr?«
»Was wollen Sie wissen?«
»Alles kann für die Ermittlungen von Interesse sein. Wie lange hatten Sie bereits... Kontakt mit ihm, zum Beispiel?«
»Ungefähr seit einem halben Jahr – seit er wieder zurück ist.«
»Wie oft?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Nicht so oft. Einmal im Monat oder noch seltener... er war häufiger bei Katja.«
»Katja Simone?«
»Ja.«
»Das ist uns schon bekannt... Inspektor Kropke hat mit ihr gesprochen.«
»Ich weiß.«
Sie drückte ihre Zigarette aus und zündete sich sofort eine neue an. Widerlich, dachte Beate
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