Das vierte Opfer - Roman
ich verstanden habe?«
Bausen wechselte einen Blick mit Van Veeteren. Er räusperte sich und beugte sich über den Tisch.
»Wir, der Hauptkommissar und ich, glauben, daß es ungefähr folgendermaßen vor sich gegangen ist – urteilt selbst. Eins: der Mörder klingelt an der Tür. Zwei: Rühme geht und öffnet. Drei: Er kennt den Mörder und bittet ihn herein. Vier: Der Mörder tritt über die Schwelle und verliert etwas auf dem Boden...«
»Einen Zettel, eine Münze oder was auch immer«, ergänzte Van Veeteren.
»Fünf: Rühme bückt sich, um das aufzuheben, und sechs: Der Mörder schlägt zu!«
Es war still am Tisch. Nur Polizeianwärter Bangs verdrossenes Kauen an einem Kopenhagener war zu hören. Inspektor Kropke rückte seinen Schlipsknoten gerade und schaute zweifelnd in die Runde.
»Gut«, sagte Beate Moerk schließlich. »Ich glaube, ihr habt recht... aber es war keine Münze. Die hätte in die falsche Richtung kullern können.«
»Stimmt«, gab Van Veeteren zu. »Keine Münze. Und was es auch immer war, er hatte Zeit, es aufzuheben, bevor er ging.«
»Außerdem hat er die Axt noch festgekeilt«, sagte Bausen. »Er scheint es nicht gerade eilig gehabt zu haben.«
»Hat er kein Blut abgekriegt?« fragte Mooser.
»Möglicherweise schon, aber er hat es jedenfalls nicht weiter verteilt«, antwortete Bausen. »Es gibt keine Spuren auf den Treppen oder sonstwo...«
»Hm«, sagte Van Veeteren. »Insgesamt ein ziemlich professioneller Typ, aber ich glaube nicht, daß wir uns zu sehr darauf verlassen sollten, daß Rühme ihn wirklich kannte. Es gibt diverse andere denkbare Möglichkeiten...«
»Er kann ihn mit einer Pistole auf die Knie gezwungen haben, zum Beispiel«, sagte Beate Moerk.
»Zum Beispiel«, nickte Van Veeteren.
»Kommen wir zum Zeugen«, sagte Bausen. »Laßt uns Herrn Moens Aussagen einmal näher betrachten. Ich glaube, es ist verdammt wichtig, daß wir jetzt keinen Fehler machen...«
»Zweifellos«, sagte Van Veeteren.
»Wir haben ja beide mit ihm geredet, Inspektor Moerk und ich«, erklärte Bausen, »sind aber zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, wenn man so will... Also, er heißt Alexander Moen, und er wohnt in der Wohnung über der von Rühme und Linckx. Er behauptet, er hätte eine Person beobachtet, die kurz vor elf Uhr am Mittwoch abend ins Haus ging und die zirka fünfzehn Minuten später das Gebäude im Laufschritt
wieder verließ. Während des gesamten Zeitraums saß Moen an seinem Küchentisch und schaute durchs Fenster auf den Leisnerpark und die Allee, während er auf die Elf-Uhr-Nachrichten im Radio wartete und sie dann auch hörte.«
»Es gibt keinen Grund, das anzuzweifeln«, sagte Beate Moerk.
»Es gehört zu seiner abendlichen Routine. Offensichtlich macht er das seit dreißig Jahren so ...«
»Vor 1972 gab es noch keine Elf-Uhr-Nachrichten«, warf Kropke ein.
»Wirklich?« sagte Van Veeteren. »Nun ja, das spielt wohl kaum eine größere Rolle. Können wir uns jetzt seine Beschreibung des Mannes vornehmen. Denn das ist es doch, was interessant ist, nicht wahr? Bausen zuerst!«
»Ich habe mit ihm noch in der gleichen Nacht gesprochen«, erklärte der Polizeichef. »Er ist aus dem gleichen Grund wie alle anderen Mieter im Haus aufgewacht... Hrrm.« Er warf einen Blick auf Bang, der immer noch mit seinem Kopenhagener beschäftigt war.
»...und konnte nicht wieder einschlafen. Deshalb stand er also um halb vier in Bademantel und Pantoffeln auf der Treppe und wollte eine Zeugenaussage machen.«
»Er ist vierundneunzig Jahre alt«, warf Beate Moerk ein, als Information für Münster.
»Jedenfalls«, fuhr Bausen fort, »behauptete er, daß er einen Mann dabei beobachtet hätte, wie er aus dem Park kam und durch die Tür das Haus betrat.«
»War die Tür abgeschlossen?« fragte Münster.
»Seit ein paar Tagen kaputt«, sagte Kropke.
»Er ging also durch die Haustür hinein. Er trug eine Art Trainingsoverall, dunkel mit hellerem Muster, er war groß und dünn und trug ein Paket, ein Bündel... ja, er entschied sich für den Begriff Bündel. Er sagte nichts von dem Gesicht, da es die ganze Zeit im Schatten gelegen hatte, aber er glaubt, daß der Mann einen Bart hatte... und ziemlich lange Haare. Ja, dann
verging also ungefähr eine Viertelstunde, und dann kam er wieder heraus und lief in den Park. Das war wohl im großen und ganzen alles, aber es dauerte mehr als eine halbe Stunde, bis ich es aus ihm heraus hatte.«
»Das Bündel?« fragte Kropke.
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