Das vierte Opfer - Roman
verurteilt«, fuhr Bausen fort. »Hat sechs Jahre in Klejmershuus gesessen. In der Zeit erkrankte Maria Massau an Leukämie ... eine Geschichte, die sie offensichtlich seit ihrer Kindheit hatte, die bis dahin aber immer nur latent gewesen war. Ihr Zustand verschlechterte sich immer mehr, und sie starb in dem Monat, in dem Podworsky freigelassen wurde.«
»Hatte er Freigänge, um sie zu besuchen?« fragte Van Veeteren.
»Ja, aber sie wollte ihn nicht sehen«, nahm Kropke den Faden wieder auf. »Das brauchte sie auch gar nicht. Denn sie wohnte die meiste Zeit bei Simmels ... am Ende war sie natürlich immer häufiger im Krankenhaus. Als Podworsky rauskam, zog er sofort wieder zurück in das Haus, obwohl es ja Simmel gehörte, der es ihm nur aus verwandtschaftlichen Gründen überlassen hatte, sozusagen... ja, danach versuchte Simmel ein paarmal, ihn da rauszukriegen, aber irgendwann hat er es aufgegeben.«
»Warum?« fragte Van Veeteren.
»Weiß nicht«, sagte Kropke.
»Nun«, sagte Bausen. »Es ist wohl nicht so ganz klar, ob er es einfach leid wurde oder ob da noch was anderes dahintersteckte... jedenfalls hielten sich die Gerüchte die ganzen Jahre über.«
»Welche Gerüchte?« wollte Münster wissen.
»Ach, alle möglichen eigentlich«, sagte Bausen. »Daß Podworsky
Simmel gedroht hat, auszupacken ... oder daß er irgendwas gegen ihn in der Hand hatte.«
Van Veeteren nickte.
»Ach so«, sagte er. »Die waren beide nicht besonders gut angesehen hier in der Stadt. Sehe ich das recht?«
»Stimmt«, sagte Kropke.
»Warum wurde Podworsky frühzeitig pensioniert?« fragte Van Veeteren. »Das war doch direkt, nachdem er rauskam?«
»Kann man so sagen«, sagte Bausen. »Es war ihm gelungen, sich im Gefängnis einen Rückenschaden oder so zuzulegen ... er hatte wohl sowieso nicht besonders große Chancen, ’nen Job zu kriegen.«
»Dann hat er also seitdem da draußen allein gelebt«, sagte Kropke. »Seit 1979... ein richtiger Steppenwolf, kann man wohl sagen.«
»Irgendwelche Straftaten seitdem?« fragte Münster.
»Na ja«, sagte Bausen. »Es wird gemunkelt, daß er Schnaps gebrannt und verkauft hat – oder ihn zollfrei im Osten gekauft hat. Ich war mal Ende der siebziger Jahre da draußen, habe aber nichts finden können. Vielleicht ist er auch gewarnt worden.«
Van Veeteren kratzte sich mit einem Bleistift am Kopf.
»Nun gut«, sagte er. »Und dann haben wir da also noch die Aarlach-Geschichte ...«
»Ich muß schon sagen, daß dies ein verdammt merkwürdiger Zufall ist«, sagte der Polizeichef. »Oder meint ihr nicht? Wie, zum Teufel, ist das möglich? Das liegt schließlich zweihundert Kilometer von hier, und Eugen Podworsky ist nie ein großer Freund des Reisens gewesen, eher im Gegenteil. Wie war das Datum noch?«
»Der 15. März 1988«, sagte Kropke. »Da geriet er aus irgendeinem Grund in einer Bar in ein wüstes Handgemenge mit zwei jungen Medizinstudenten, einer davon war Maurice Rühme. Sie haben die ganze Einrichtung im Wert von Tausenden von Gulden zertrümmert, beide, Podworsky und Rühmes
Kumpel, mußten für ein paar Wochen ins Krankenhaus. Es war auch von einer Anzeige die Rede, aber schließlich haben sie sich doch noch gütlich geeinigt.«
»Jean-Claude Rühme?« fragte Van Veeteren.
»Ganz offensichtlich«, sagte Bausen. »Da müssen wir wohl nachhaken, denke ich. Von Melnik ein bißchen Fleisch auf die Knochen kriegen ... und diesen zweiten Studenten finden, Christian Bleuwe, hieß er nicht so?«
»Ja, leider«, sagte Van Veeteren.
»Wieso leider?«
»Er ist tot. Das steht nicht im Bericht, aber ich habe Melnik heute morgen angerufen, und er hat es mir bestätigt. Er ist im Zusammenhang mit einem Sprengstoffunglück vor zwei Jahren ums Leben gekommen. Ich habe Melnik gebeten, herauszufinden, um was es da eigentlich bei der Prügelei in der Bar ging. Er wird sich drum kümmern.«
Kropke machte sich Notizen. Bausen runzelte die Stirn.
»Ein Sprengstoffunglück?« wiederholte er.
Van Veeteren nickte und wühlte in seiner Brusttasche.
»Schluß mit den Zahnstochern«, erklärte er. »Hat der Herr Polizeichef vielleicht eine Zigarette für mich?«
Bausen reichte ihm ein Päckchen.
»Was für ein Sprengstoffunglück?« fragte er.
»Offensichtlich eine Terroristengeschichte«, sagte Van Veeteren und klickte mit dem Feuerzeug. »Baskische Terroristen, behauptet Melnik, aber er ist sich da nicht sicher.«
»Wo?« fragte Münster.
»Wo?« wiederholte Van Veeteren
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