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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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den Weg zu seinem Dinner. Preston fuhr nach London zurück.
    Während Preston auf der Heimfahrt war, hatte die Lauschstation in Menwith Hill in Yorkshire einen einzelnen »Spritzer« aus einem Geheimsender aufgefangen. Nach Menwith registrierten ihn auch Brawdy in Wales und Chicksands in Bedfordshire und ließen per Computer Kreuzpeilungen anstellen. Der Schnittpunkt war irgendwo in den Hügeln nördlich von Sheffield.
    Als die Sheffielder Polizei dort ankam, erwies die Stelle sich als eine Parkbucht an einer einsamen Straße zwischen Barnsley und Pontefract. Niemand war zu sehen.
    Noch am selben Abend suchte einer der diensthabenden Offiziere vom GC-Hauptquartier Cheltenham den Dienststellenleiter in dessen Büro auf.
    »Es ist derselbe Strolch«, sagte er. »Ist motorisiert und hat ein gutes Gerät. War nur fünf Sekunden auf Sendung, dürfte kaum zu entschlüsseln sein. Zuerst der Distrikt Derbyshire Peak, jetzt die Hügel von Yorkshire. Sieht aus, als sei er irgendwo in den nördlichen Midlands.«
    »Bleiben Sie ihm auf den Fersen«, sagte der Dienststellenleiter. »Wir haben seit einer Ewigkeit keinen schlafenden Sender mehr gehabt, der plötzlich aktiv wurde. Was er wohl mitzuteilen hat?«
    Was Major Valeri Petrofski auf dem Weg über seinen Funker mitzuteilen hatte, war folgendes: Kurier zwei nicht erschienen. Meldet unverzüglich Ankunft Ersatzmann.
    Die erste Flasche Akhtamar stand leer auf dem Tisch, und auch in der zweiten war bereits Ebbe. Martschenkos Gesicht hatte sich gerötet, aber er verkraftete seine zwei Flaschen am Tag, wenn es darauf ankam, und er hatte sich noch völlig unter Kontrolle.
    Karpow, der selten trank um des Trinkens willen, hatte seinen Magen Jahre hindurch bei Diplomatenempfängen gestählt. Wenn er einen klaren Kopf brauchte, hatte er ihn. Überdies hatte er, ehe er von Jasjenewo abfuhr, ein halbes Pfund weiße Butter hinuntergewürgt, und obwohl ihm beinahe alles wieder hochgekommen wäre, polsterte das Fett jetzt doch seinen Magen aus und verzögerte die Wirkung des Alkohols.
    »Wo sind Sie denn zur Zeit dran, Peter?« fragte er, wobei er die unter guten Freunden gebräuchliche Form des Vornamens verwendete.
    Martschenko kniff die Augen zusammen.
    »Warum fragen Sie?«
    »Na, Peter, wir sind doch alte Kameraden. Wissen Sie nicht mehr, wie ich Sie aus dem Schlamassel geholt habe, vor drei Jahren in Afghanistan? Sie schulden mir eine Gefälligkeit. Was ist im Busch?«
    Martschenko wußte es noch sehr gut. Er nickte feierlich. Im Jahr 1984 hatte er eine große GRU-Aktion gegen die Moslemrebellen droben in der Nähe des Kyberpasses geführt. Der GRU hatte es besonders auf einen berüchtigten Guerillaführer abgesehen, der von den Flüchtlingslagern in Pakistan aus immer wieder in Afghanistan einfiel. Martschenko hatte vorschnell ein Fangkommando über die Grenze geschickt, um den Mann zu schnappen. Es wurde ein voller Mißerfolg. Die moskaufreundlichen Afghanen wurden von den Pattans entlarvt und starben einen furchtbaren Tod. Der einzige Russe unter ihnen hatte Glück, er überlebte; die Pattans übergaben ihn den pakistanischen Behörden im Nordwesten des Landes, da sie hofften, mit Waffenlieferungen dafür belohnt zu werden.
    Martschenko war in Schwulitäten. Er wandte sich an Karpow, den damaligen Chef des für die Illegalen zuständigen Direktorats, und Karpow setzte das Leben eines seiner besten Agenten, eines pakistanischen Offiziers in Islamabad, aufs Spiel, der den Russen »entspringen« und über die Grenze schaffen ließ. Damals hätte ein großer internationaler Zwischenfall Martschenko den Hals brechen können, und sein Name wäre einer auf der langen Liste sowjetischer Offiziere geworden, deren Karriere in diesem elenden Land ein jähes Ende fand.
    »Ja, Sie haben recht, ich weiß, wie sehr ich Ihnen verpflichtet bin, aber fragen Sie mich trotzdem nicht, woran ich in den letzten Wochen gearbeitet habe. Sonderauftrag, streng geheim. Sie wissen schon, keine Namen, keinen Wirbel.«
    Er tippte mit seinem wurstartigen Zeigefinger an seinen Nasenflügel und nickte feierlich. Karpow beugte sich vor, nahm die dritte Flasche und goß das Glas des GRU-Generals randvoll.
    »Klar, ich weiß, tut mir leid, daß ich gefragt habe«, sagte er begütigend. »Werde nicht darauf zurückkommen. Werde nicht auf die Operation zurückkommen.«
    Martschenko drohte ihm mit dem Finger. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er erinnerte Karpow an einen angeschossenen Eber im Dickicht, nur daß sein

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