Das Vigilante Prinzip (German Edition)
können.
Die Herren Black, Cyan und Yello würden nicht erfreut sein über Miss Magentas Ableben. Noch weniger erfreut würden sie sein, wenn sie erfuhren, dass Mrs. White sich nicht an eine der Bedingungen gehalten hatte, die an den Auftrag geknüpft worden waren. Keine Perücken hatte es in den Anweisungen geheißen. Die Teilnehmer hatten ihre Haare zu färben. Selbst Mr. Black hatte sein schon schwarzes Haar noch nachfärben müssen.
Nachdem das Zielobjekt den Bahnhof verlassen hatte, wartete Mrs. White noch zwei, drei Minuten, ehe sie ebenfalls den Ausgang aufsuchte. Sie rechnete damit, dass hier in wenigen Augenblicken Polizei und Sicherheitskräfte aufkreuzten. Bis dahin musste sie verschwunden sein.
Sie drückte den Sendeknopf an ihrem Funkohrempfänger. »Mr. Cyan, erhöhte Wachsamkeit. Mr. Black und Mr. Yello, vergessen Sie die Gepäckausgabe und leisten Sie Mr. Cyan Gesellschaft. Ich komme durch den Tunnel zu Ihnen und versuche, ihn auf Sie zuzutreiben.«
»Was ist mit Miss Magenta?« Das war Cyans Stimme.
Mrs. White biss sich auf die Lippen. »Haben wir verloren.«
»Aber wie …?«
»Konzentrieren Sie sich jetzt auf die Mission, Mr. Cyan, oder Sie werden genauso mausetot sein, wie Miss Magenta.«
»Ist das eine Drohung, Mrs. White?«
»Eine Warnung!« Sie schnaubte und unterbrach die Verbindung. Dann tastete sie nach ihrer Ersatzwaffe in der Jackentasche. Eine alte Beretta M1934. Noch eine Idee kleiner als die Baby Glock, doch mit weniger Durchschlagskraft. Dafür lag die Mündungsfeuergeschwindigkeit unterhalb der Schallgeschwindigkeit, sodass Schalldämpfer eine bessere Wirkung erzielten, da sie keinen Überschallknall mindern mussten. Mrs. White suchte einen Telefonstand auf, zog die Waffe und aus einer anderen Tasche einen Schalldämpfer. Sie schraubte den Aufsatz auf die Mündung, lud die Pistole durch und entsicherte sie.
Die Jagd war eröffnet. Diesmal würde sie keinen dummen Fehler begehen.
*
Sein Blick schweifte wie der eines Irren durch die Gegend, unstet, immer wieder neue Ziele ins Auge fassend, wie die Kamera eines Raketenkampfcomputers, die Objekte markierte, einstufte und sie für einen potenziellen Angriff vormerkte. Für Vigilante war plötzlich jeder verdächtig, auch wenn er seine Beobachtungsprioritäten weiterhin auf ungewöhnliche Haarfarben legte.
Madame Dunoire hatte ihm kurz berichtet, was vorgefallen war. Offenbar war jemand in sein Washingtoner Apartment eingebrochen, hatte es in einen chaotischen Zustand versetzt und gleichzeitig Zabette gekidnapped, die ihm auf Verdacht einen Besuch abstatten wollte, nicht wissend, dass er sich gar nicht in Washington aufhielt.
Die ganze Sache musste etwa vier Stunden vor seiner Ankunft am Dulles International geschehen sein. Er zweifelte nicht daran, dass True Colors dahinter steckten. Erst die Wohnung, dann er. Zabette war nur eine nette Zugabe, mir der sie ihn unter Druck setzen konnten.
Er eilte durch den Tunnel.
Mann mit Hut und Aktenkoffer. Frau mit zwei Kindern. Drei Jugendliche mit Touristenrucksäcken. Frau mit Koffer. Pärchen mit Koffer und Trolley. Familie. Älteres Ehepaar. Unentwegt raste sein Blick hin und her und erfasste die Leute, die ihm entgegenkamen.
Alle zehn Schritte warf er einen Blick zurück und vergewisserte sich, dass ihm niemand folgte. Dabei überlegte er, was als nächstes geschehen würde. Sicherlich wurde er bereits am Ende des Tunnels erwartet. Und er konnte nicht sicher sein, ob Mrs. White vor ihm durch den Tunnel geflohen war, oder ob sie sich irgendwo versteckt hatte und sich jetzt hinter ihm befand. Zumindest war er nicht schutzlos. Die Baby Glock mit dem aufgesetzten Schalldämpfer hatte er noch dabei. Allerdings nur acht Schuss und kein Ersatzmagazin. Er war nicht ganz wehrlos, fühlte sich auf der anderen Seite aber auch nicht überlegen.
Das Ende des unterirdischen Tunnels gelangte in Sicht. Vigilante hielt sich am Rand. Etwa fünfzehn Schritte vor ihm bot ein riesiger Blumenkübel mit einem Farn eine Möglichkeit der Deckung. Dahinter schlossen auf beiden Seiten des Tunnels Sitzbänke an, und in der Mitte des Ganges war ein deckenhohes Aquarium aufgebaut worden.
Vigilante blieb an dem Blumenkübel stehen und suchte den Tunnel ab. Blond. Rot. Hellblond. Brünett. Schwarz. Grau. Unter den Menschen befand sich jede nur erdenkliche Haarfarbe, doch etwas Knalliges, wie Miss Magenta zur Schau getragen hatte, war weder in blau noch in gelb dabei.
Schwarz. Es gab viele Leute mit
Weitere Kostenlose Bücher