Das Vigilante Prinzip (German Edition)
verdächtige Person, die sich unweit der Eingangstüren postiert hatte. Sie lehnte mit der Schulter gegen die Wand, tat so, als lese sie Zeitung, doch ihr Blick schnellte immer wieder beobachtend hoch. Interessanterweise war sie so auffällig gekleidet, dass Vigilante ihr zwar Beachtung geschenkt, sie aber nie in die Kategorie Verfolger gesteckt hätte. Die Person war eine Frau mit künstlich roten Haaren und in Jeansjacke und -hose in ähnlicher Farbe gekleidet. Sie sah aus wie jemand, der auffallen, nicht beschatten wollte. Allerdings bemerkte Vigilante in ihrem Blick, dass sie sich unwohl fühlte. Offenbar präsentierte sie sich für gewöhnlich nicht so auffällig.
»Da hinein«, sagte die Stimme an seinem Ohr. Mit Nachdruck der Waffenmündung in seinem Nacken bugsierte ihn die Frau durch die Toilettentür. Die Rothaarige folgte ihnen. Aus den Augenwinkeln nahm Vigilante eine Handbewegung wahr, die ihm verriet, dass die Frau nach einer Waffe griff.
Die Tür fiel ins Schloss.
Vigilante ging weiter, bis die, jetzt scharfe, Stimme der Frau ihn stoppte.
»Das ist weit genug.« Diesmal flüsterte sie nicht mehr. Sie hatte eine leicht rauchige Stimme, von der Vigilante glaubte, sie irgendwo schon einmal gehört zu haben, doch er konnte sie nicht zuordnen. Er machte Anstalten, sich umzudrehen.
»Bleiben Sie so stehen. Gesicht geradeaus. Falls Sie den Kopf auch nur andeutungsweise zur Seite drehen, erschieße ich sie.«
Vigilante verstand und bewegte sich nicht. Links von ihm befanden sich die Waschbecken und Spiegel. Er hätte mühelos einen Blick auf seine Widersacherin werfen können, wenn er ihr Spiegelbild sah. Warum wollte sie nicht gesehen werden, wo ihre Komplizin sich doch Vigilante gezeigt hatte?
»Was wollen Sie von mir?«, fragte er.
»Halten Sie den Mund! Sie tragen einen Mikrochip bei sich. Wo ist er?«
Aha, darum geht es also. Trotz aller Vorsicht und seinem Entschluss, den Präsidenten nicht von Bord des Flugzeugs aus zu informieren, waren sie ihm auf die Schliche gekommen. Ein Maulwurf im Weißen Haus schied aus. Dort hatte bis vor wenigen Minuten niemand gewusst, dass und mit welcher Maschine er nach Washington zurückkehrte. Also musste ihn jemand bereits in Deutschland unter Beobachtung gehabt haben.
»Ich fürchte, Sie sind falsch informiert, Teuerste«, sagte Vigilante, den Blick stur auf die Fliesen der gegenüberliegenden Wand geheftet. »Ich trage den Chip nicht bei mir.«
»Wo ist er?«
»In einem schmucklosen weißen Pappumschlag mit dem Aufdruck FedEx in violett-roter Farbe. Auf dem Weg zur Adresse des Weißen Hauses.«
»Sie verarschen mich!«
»Oh bitte, Gnädigste. Sehe ich wirklich so dumm aus, dass ich Ihnen etwas vormache, während sie mich von hinten mit einer Waffe bedrohen? Sie könnten mich auf der Stelle erschießen und durchsuchen, wenn Sie sicher wären, dass ich den Chip bei mir trage.«
»Die Idee ist vielleicht nicht schlecht«, sagte die Frau. »Aber es gibt eine Alternative. Miss Magenta, durchsuchen Sie den Kerl.«
Miss Magenta?
Die Frau mit den rotgefärbten Haaren trat in Vigilantes Blickfeld. Sie steckte ihre Pistole, eine 9mm Walther P99 in ihren Gürtel unter der offenen Jeansjacke und machte sich daran, Vigilantes Taschen zu durchwühlen. Jackenaußentaschen. Jackeninnentaschen. Sie förderte sein Telefon und seine Brieftasche zutage. Dann machte sie weiter, tastete seinen Hintern ab und griff in die Gesäßtaschen. Dann in die vorderen Hosentaschen und stieß dabei gegen sein Glied.
»Machen Sie das noch zweimal, dann könnte es feucht werden.«
»Klappe halten!«, befahl die Frau hinter ihm, während ihn Miss Magenta nur mit unverständlichem Blick ansah.
»Er hat den Chip nicht bei sich, Mrs. White«, sagte die Rothaarige.
Mrs. White?
Vigilantes innere Alarmsirennen begannen fürchterlich zu schellen. Bei einigen amerikanischen Nachrichtendiensten gab es einen Code für verdeckte und illegale Operationen, der sich an die Grundfarbgebung orientierte. True Colors. Rot. Blau. Gelb. Dazu noch die Kontraste Schwarz und Weiß. True Colors wurden dann eingesetzt, wenn man jedwede Verbindung zum Einsatznachrichtendienst auch innerhalb eigener Reihen verschleiern wollte. Meist wurden dazu professionelle Attentäter engagiert, die man bisher noch nicht eingesetzt hatte, die zu keinem bekannten Team gehörten, auf eigene Rechnung und grundsätzlich allein arbeiteten.
Ganz prächtig , dachte Vigilante. Crawfords Team hat versagt und irgendwer zaubert
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