Das volle Risiko
emotionell zu einem Krescendo. „Schuld hat nur diese verdammte Howard, dieses Schafsgesicht. Die hat ihr doch vom ersten Augenblick an nichts als Schwierigkeiten gemacht.
„Zum Schluß hat sie Melita sogar beschuldigt, Röntgenfotos gestohlen zu haben. Jetzt ist sie einem Nervenzusammenbruch nahe.“
„Und was war wirklich mit den fraglichen Röntgenaufnahmen?“
„Wahrscheinlich wäre es zu alledem nicht gekommen, wenn nicht eine Patientin heimlich verschwunden wäre. Das hat die ganze Sache ins Rollen gebracht und der Howard genau die günstige Gelegenheit gegeben, auf die sie schon lange gewartet hat.
„Natürlich war Melita an dem Verschwinden der Patientin nicht ganz unschuldig. Es kommt schon mal vor, daß ein Patient sich heimlich aus dem Staube macht. Fast jeder Schwester passiert das irgendwann einmal. Mir ist es auch schon so ergangen und mehreren anderen Schwestern, die ich kenne, ebenfalls.
„Und eins kann ich Ihnen sagen: Wenn die Rezeption auf Draht ist, kann so etwas überhaupt nicht passieren. Wenn der Patient sich anmeldet, sollte die Rezeption von vornherein die Personalien genau überprüfen und faule Kunden, um nicht Hochstapler zu sagen, rechtzeitig erkennen. Verrichteten die Leute ihre Arbeit gründlich, dann brauchten wir uns nicht mit solchen Fällen herumzuschlagen.“
„Und was war mit den Röntgenaufnahmen?“
„Mit denen hat Melita überhaupt nichts zu tun“, antwortete sie. „Es stimmt, daß eine ihrer Patientinnen verduftet ist; aber mit den verschwundenen Röntgenaufnahmen hat sie absolut nichts zu tun. Das ist die Schuld einer anderen. Die für die
Röntgenarchive verantwortliche Schwester ist an sich verpflichtet, einen Beleg auszufüllen, wenn ein Röntgenfilm aus den Akten genommen wird. Nun ist diese Person aber zufällig mit der Oberschwester befreundet, und da hat keiner den Mut, dieses Lieblingskind der Oberschwester Howard für irgend etwas verantwortlich zu machen.
„Niemand wird dieser Schwester vorwerfen, daß sie es zugelassen hat, daß Ärzte Röntgenfotos aus den Akten nehmen, ohne den Empfang zu quittieren. Niemand wird sich auch bereit finden, sie deshalb zu tadeln, weil sie vielleicht die vom Arzt später zurückgegebenen Aufnahmen in einen falschen Umschlag tut oder sie ins Krankenzimmer mitnimmt und dem Patienten zeigt. Und das wird nun alles der armen Melita angehängt, und ich muß sagen, daß mich das verdammt wild macht.“
„Werden Sie etwas dagegen unternehmen?“ fragte ich sie.
„Ich weiß es noch nicht. Manchmal verspüre ich große Lust, ins Krankenhaus zu gehen und diese Howard kahlzuscheren.“
„Sie sind nicht im selben Hospital tätig?“
„Ich bin in Sondereinsätzen beschäftigt.“
„Im Tag- oder Nachtdienst?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Wie es gerade kommt.“
„Melita sorgt für ihre kranke Mutter?“ fragte ich.
„Und ob sie das tut! Ihre Mutter ist in einem Pflegeheim, und das kostet Melita so viel, daß ihr nur sehr wenig übrigbleibt. Aber was kann sie anderes tun, als sich abzurackern, um das Geld heranzuschaffen.
„Natürlich kommen ihr die Ärzte von Berufs wegen entgegen. Aber ihre Mutter mußte operiert werden, und Melita hatte das Geld aufzubringen. Die Oberschwester weiß natürlich, daß Melita auf jeden Fall mehr verdienen muß, und das macht sie ihr vorsätzlich schwer.“
„Danke. Ich glaube, damit ist alles gesagt, was ich gern gewußt hätte.“
Ich stand auf, um zu gehen.
Josephine kam zu mir herüber und stellte sich in verführerischer Pose dicht neben mich. „Donald, was wollen Sie wirklich?“
„Wie meinen Sie das?“
„Wer ist so stark an Melita interessiert, daß er eine Detektei auf sie ansetzt?“
„Es ist nur eine Routineangelegenheit“, erwiderte ich.
„Wer ist Ihr Auftraggeber?“
„Du lieber Himmel, das weiß ich selbst nicht. Die geschäftliche Seite unseres Betriebes wird von meiner Partnerin wahrgenommen. Ich bin für den Außendienst verantwortlich und führe die Nachforschungen durch.“
„Es könnte ja sein, daß Sie für diese Oberschwester Howard arbeiten, nach allem zu urteilen, was Sie schon wußten.“
„Nach allem, was Sie wissen, sicherlich“, konterte ich.
Sie schmollte und sagte: „Sie sind aber auch gar nicht nett zu mir, Donald.“
Dann kam sie noch näher zu mir. „Sagen Sie es mir doch, Donald“, schmeichelte sie.
„Was soll ich Ihnen sagen?“
„Wer Ihr Auftraggeber ist und weshalb Sie diese Informationen über Melita
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