Das volle Risiko
Hänge zu beiden Seiten wurden zusehends flacher, und nach einer Weile verloren sich alle Spuren. Die Polizei war offenbar nicht so weit in den unteren Teil des Canyons vorgedrungen.
Zu beiden Seiten gab es immer noch ziemlich steile Felsen, die mit stacheligem Unterholz bedeckt waren. Es war nicht so leicht, sich einen Weg zu bahnen, aber ich machte mir noch ein paar hundert Meter die Mühe. Plötzlich waren wieder Spuren im Boden erkennbar. Sie waren zwar nicht mehr frisch, aber immerhin noch vorhanden. Es waren Abdrücke von Männerschuhen, die im trockenen und losen Sand leider nicht mehr so deutlich erhalten geblieben waren, daß es zu einer Identifizierung gereicht hätte.
Nach weiteren fünfzig Metern fand ich den Stummel einer halb gerauchten Zigarette. Ich hob ihn mit der Spitze meines Messers auf und verwahrte ihn in einer Streichholzschachtel. Als plötzlich über mir ein Stein ins Rollen kam, blickte ich hoch.
Inspektor Frank Seilers und ein anderer Mann arbeiteten sich langsam den steilen Abhang hinunter.
„Warten Sie, Däumling“, rief mir Seilers zu.
Ich blieb stehen.
Als die beiden Männer unten angelangt waren, wußte ich, daß der zweite, schwergebaute Mann von etwa fünfzig Jahren der Bezirkssheriff sein mußte.
Seilers machte eine Daumenbewegung in Richtung auf seinen Begleiter und sagte: „Das hier ist Jim Dawson, der stellvertretende Sheriff der Kreispolizeistation. Was, zum Teufel, tun Sie denn hier?“
„Ich sehe mir mal den Schauplatz des Verbrechens an.“
„Aus welchem Grunde?“
„Ich prüfe etwas nach.“
„Was prüfen Sie nach?“
„Ob Ihre Schlußfolgerungen richtig sind.“
„Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen sich aus dieser Sache heraushalten? Wir brauchen Ihre Hilfe nicht.“
„Dessen bin ich nicht so sicher.“
„Was wollen Sie mit dieser kecken Bemerkung sagen?“
„Sehen Sie diese Spuren im Sand längs des ausgetrockneten Flußbettes hinter der Stelle, wo der Wagen ausbrannte?“
„Was soll damit los sein?“
„Jemand ist auf der ziemlich steilen Felswand entlanggeklettert, bis er zu einer Stelle kam, von der er fest überzeugt war, daß man dort nicht mehr nach Spuren suchen würde. Dann ist er im trockenen Sand weitergegangen.“
„Sie sehen ja Gespenster!“ fuhr Seilers mich an. „Chester hat seine Frau mit ihrem Wagen dort oben an der Umleitung von der Straße gedrängt. Wenige hundert Meter von dem Punkt entfernt, wo der Wagen den Abhang hinuntergerollt war, verließ er seinen Mietwagen und kletterte den Abhang wieder hoch, stieg in sein Auto und fuhr davon. Wir haben dafür einwandfreie Beweise, wir haben seine Spuren fotografisch festgehalten und können alles vor Gericht beweisen.“
„Und wer ist hier den felsigen Abhang hinuntergeklettert?“
„Das weiß ich nicht, und das interessiert mich auch nicht. Chester wird schon in die Fallen, die wir ihm gestellt haben, hineinplumpsen, wenn er wiederauftaucht. Und Sie tänzeln nur störend um diese Fallen herum und behindern unsere Arbeit. Wir werden Ihnen die Flügel beschneiden müssen. Was haben Sie dort in der Streichholzschachtel?“
„Eine zur Hälfte gerauchte Zigarette, die ich hier gefunden habe. Sie können damit den Salivatest machen lassen und —“
Seilers griff nach der Schachtel, öffnete sie, sah verächtlich auf den Stummel und warf ihn mit der Bemerkung weg: „Dummes Zeug! Sie und Ihre gottverdammten Theorien!“
„Sie werden später wünschen, das nicht getan zu haben, Seilers.“
Nun schaltete sich der Sheriff ein. „Hören Sie, Lam“, sprach er mich an. „Sie haben anscheinend ein besonderes Interesse an diesem Fall. Warum sagen Sie uns nicht, weshalb Sie sich in die Ermittlung einmischen?“
„Das werde ich jetzt, aber nur Ihnen zu Gefallen, tun. Die Sache liegt so: Foley Chester hatte einen Autounfall, den er verschuldete. Der Mann, den er dabei verletzte, wird von der Versicherungsgesellschaft eine enorm hohe Schadenssumme fordern, sobald er erfährt, daß Chester wegen Mordverdachts gesucht wird.
„Ich will herausfinden, ob Chester seine Frau wirklich umgebracht hat, bevor es zu einer endgültigen Schadensregelung in diesem Versicherungsfall kommt.
„Bis jetzt haben Sie eine Menge Indizienbeweise, die gegen Chester sprechen. Mich interessiert nun, ob Sie auch wirklich das ganze Beweismaterial zusammengetragen haben.
„Die einzige Möglichkeit, Indizienbeweise zu bewerten, ist doch, herauszufinden, ob man auch wirklich im Besitz aller
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