Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
Vom Netzwerk:
öffnete den Reißverschluss einen Spalt, um hindurchzulinsen, und sah im Schein des Mondes meinen Freund Torsten seine Luftmatratze wieder aufpumpen. Ein weiterer Anfall von jäh einsetzendem Parallelitätsschmerz ließ mich den Reißverschluss sofort wieder schließen. Sicher war es auch meinem halbtraumhaften Zustand zuzuschreiben, dass ich nun schon wieder eine Verbindung zu meinem Vater zog. Musste nicht auch er nachts immer seine Luftmatratze aufpumpen?!
    Gleichzeitig beruhigte ich mich aber auch wieder. Schließlich war es Torsten, der gerade den Pfaden meines Vaters folgte, und nicht ich. Es war auch Torsten gewesen, der sich als unglaublich Schlauchboot-affin herausgestellt hatte, und nicht ich. Also kein Problem. Ich würde weiterhin ich bleiben, auch wenn Totti draußen vor sich hin fidschfidschfidschte, bis der Morgen anbrach.
    Der Morgen brach an. Ich wurde aber nicht von einem Fidschfidschfidsch geweckt, was mir entschieden besser gefallen hätte als das, was uns tatsächlich beide aus dem Schlaf riss. Im ersten Moment dachten wir beide, ein großes Alien-Mutterschiff würde den Boden um uns herum ausheben, um dann genau den Teil von Mutter Erde zu schnappen, auf dem unser Zelt stand, und dann damit in die endlosen Weiten des Weltalls zu verschwinden. Wir taten das beide sofort als Unsinn ab und einigten uns darauf, dass draußen Bauarbeiten vonstattengehen mussten und das auch der Grund war, warum niemand an diesem Teil des Campingplatzes sein Lager aufgeschlagen hatte. Die Tatsache, dass diese Einigung schreiend vonstattenging, sagt einiges über den Geräuschpegel aus, der uns da morgens um sechs Uhr die Ohren ausblies.
    Bedröppelt tappten wir beide vor die Haustür und sahen uns um. Keine Bagger, kein Lastwagen, keine Bauarbeiter … stattdessen ein erstaunlich kleiner motorisierter Rasenmäher von der Form eines etwas zu hoch geratenen Gokarts. Darauf saß auf einem viel zu weich federnden Sitz der Besitzer des Campingplatzes, Herr Gruber, den ich schon vom Urlaub mit Familie aus dem letzten Jahr kannte, von allen nur »da Gruaba« genannt.
    Da Gruaba kam mit seinem kleinen Hoppelmobil gerade abermals um unser Zelt herumgefahren, um dann in ausladenden Schleifen auch den Rest des Plateaus zu rasieren. Nach ein paar Kurven kreuz und quer durch das halbhohe Gras schwenkte er wieder auf unser Zelt ein und umrundete es abermals, als würde er neu Schwung holen. Es erinnerte mich an den Star-Trek-Film The Voyage Home, wo die Crew der Enterprise die Sonne im sogenannten Slingshot-Manöver umrundet, um durch die Gravitation Tempo zu gewinnen für eine Zeitreise.
    Wie gerne hätte auch ich jetzt eine Zeitreise unternommen, und zwar etwa eine Stunde in die Zukunft, wo dem Gruaba sein Depperlbock wieder still im Blechschuppen neben dem Restaurant stand. Stattdessen mussten wir ohnmächtig zusehen, wie da Gruaba eine Runde nach der anderen drehte und uns dabei ab und zu ein seltsames Goldzahnlächeln schenkte.
    Dabei fiel mir auf, dass der Torsten in der Nacht ein wenig sehr gelitten hatte. Sein Gesicht, seine Hände, Arme, Beine und alles andere, was nicht von Kleidung oder Schlafsack bedeckt gewesen war, sah aus wie eine Kraterlandschaft. Anscheinend waren die Mücken in diesem Teil des Campingplatzes ein wenig sehr hungrig gewesen. Ich war dank meines Innenzelts völlig unversehrt geblieben und hütete mich darum, auch nur ein Wort zu sagen. Noch hatte er in keinen Spiegel geblickt und kratzte sich nur recht unbewusst, ohne direkt hinzusehen. Hoffentlich blieb das so …

    Als da Gruaba in etwa ein Drittel des Bewuchses umgenietet hatte, schien er für heute zufrieden zu sein und tuckerte auf uns zu. Überraschend hielt er direkt neben uns an und rief über den zweitaktigen Höllenlärm: »Mia woin doch ned, dassz ia do herom de ganzn Wocha alloa bleibds!«
    Bevor wir antworten konnten, dass wir ehrlich gesagt genau aus jenem Grunde diesen Platz ausgewählt hatten, war er auch schon die schmale Schotterstraße hinuntergeknattert, um auf dem Weg zurück zum Schuppen möglichst viele Urlauber aus dem Schlaf zu schmettern.
    Während Torsten sich nur achselzuckend zurück ins Zelt trollte, um dort noch ein paar Minuten weiterzuschlafen, blieb ich wie vom Donner gerührt stehen. Es war schon wieder passiert! Warum noch mal hatten wir diese Stelle ausgesucht? Damit wir alleine waren! Genau wie mein Vater, der sich immer die unwirtlichsten Orte des gesamten Gastlandes aussuchte, um … Unsinn. Das war nun

Weitere Kostenlose Bücher