Das Wagenrennen
Vermutlich brauchen Majestät das Kupfer dringend, aber diese Sache hier bringt den Populären nur noch mehr Zulauf, und die wollen die Monarchie schließlich abschaffen. Ich stehe plötzlich neben Litanex, dem jungen örtlichen Pontifex, dem Vertreter der Wahren Kirche. Er beteiligt sich natürlich nicht an dem Aufstand, weil er ja schließlich Priester ist, aber er ist von den Nachrichten sichtlich aufgebracht.
»Eine Schande!«, schreit er.
»Absolut!«, stimme ich ihm zu. »Orgks in der Stadt! Das ist einfach widerlich! Ich nehme an, dass die Wahre Kirche nicht sonderlich erfreut darüber ist?«
»Natürlich nicht! Wir werden sie vertreiben!«
»Und trotzdem«, füge ich hinzu, »wer weiß? Vielleicht beten sie ja sogar denselben Gott an wie wir.«
Dem Pontifex bleibt bei dieser Gotteslästerung geradezu die Luft weg. Er schreit mich an, dass die Orgks keinen Gott anbeten, von dem er wüsste.
Ich entschuldige mich wegen meiner Dummheit. Der Pontifex entfernt sich. Hier haben wir jedenfalls einen Mann, der offensichtlich nichts von orgkischen Gebetsteppichen weiß.
Ich mühe mich weiter. Als ich das Geschäfts-und Marktviertel erreiche, ebbt zwar die Gewalttätigkeit ein wenig ab, aber selbst hier ist die Atmosphäre aufgeladen und gereizt. Die Neuigkeiten haben sich in der ganzen Stadt verbreitet, und den reichen Händlern gefällt das kein bisschen besser als den armen Arbeitern. In Turai hassen alle die Orgks.
Die Hitze, die sich in den letzten Tagen immer weiter aufgebaut hat, entlädt sich jetzt in einem heftigen Gewitter. Der Himmel scheint in einer ganzen Reihe von Blitzen zu explodieren, und der Donner tobt über die ganze Stadt. Der Regen ist so heftig, dass ich kaum sehen kann, wohin ich gehe. Ich muss in einem Torbogen Schutz suchen.
Dort finde ich mich neben einem gut gekleideten Mann wieder, einem Advokaten, nach dem Schnitt seines Umhangs und seines Wamses zu urteilen.
»Wir sind verflucht«, sagt er und schüttelt den Kopf, während der Sturm über uns tobt. »Man kann nicht einfach irgendwelche Orgks in die Stadt einladen und dann glauben, dass nichts Schlimmes passiert.«
»Vielleicht hat der König ja einen guten Grund dafür?«, merke ich an.
Der Advokat starrt mich wütend an. »Orgk-Schätzchen!«, faucht er und schreitet würdevoll in den Regen hinaus. Anscheinend zieht er den peinigenden Wolkenbruch der Gesellschaft eines Mannes vor, dem es nichts ausmacht, dass ein paar Orgks zu Besuch gekommen sind.
Ich starre mürrisch in den Regen hinaus. Ich kann mir schon jetzt genau ausmalen, wie anstrengend die nächsten Wochen werden.
10. KAPITEL
Carilis wohnt wieder in Mursius’ Villa in Thamlin, in der Nähe des Palastes. Früher einmal habe ich auch hier gelebt. In meinem alten Haus wohnt jetzt ein Palastzauberer. Er ist zwar boahsüchtig, aber er hängt es nicht an die große Glocke. Und er lebt einigermaßen bequem davon, dass er Horoskope für ehrgeizige Höflinge erstellt. Viele Zauberer in Turai stammen aus reichen Familien. Die wenigen, die arbeiten müssen, verdienen ihr Geld in der Regel mit sinnlosen Tätigkeiten und frönen ansonsten den Lastern aller Reichen. Vergleichsweise wenige bemühen sich, Gutes für die Stadt zu tun – wie zum Beispiel der Alte Hasius Brillantinius, der Oberste Ermittlungszauberer im Justizdomizil, oder Melis, die Reine, die als Zauberin im Stadion Superbius arbeitet.
Ein Diener führt mich herein. Carilis lacht, als sie mich sieht.
»Was ist denn so komisch?«
»Ihr. Ihr seid so fett, und Eure Füße sind nass.«
»Vielleicht könnt Ihr mir mit ein paar Neuigkeiten weiterhelfen, die ich nicht schon kenne.«
»Und das wäre?«
Bisher ist kein Diener gekommen und hat mir Wein angeboten oder mir auch nur meinen Umhang abgenommen. Ich lasse ihn einfach auf einen Stuhl fallen. Er ist immer noch trocken. Guter Zauber.
»Zum Beispiel, wer Mursius umgebracht hat.«
»Soweit ich weiß, seid Ihr ein Hauptverdächtiger.«
»Nur in den Augen des Gesetzes. Aber wer hat es wirklich getan?«
Carilis hat keine Ahnung, und sie behauptet außerdem, dass sie viel zu aufgeregt sei, um darüber zu reden. Ob das daran liegt, dass sie in Mursius ihren Liebhaber oder ihren Versorger verloren hat, weiß ich nicht.
»Woher wusstet Ihr, dass Mursius’ Kunstwerke sich in dem Lagerhaus befinden?«
Das will sie mir nicht sagen.
»Hattet Ihr eine Affäre mit Senator Mursius?«, frage ich, um sie ein bisschen aufzurütteln.
»Nein«, gibt sie ziemlich
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