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Das Wagenrennen

Das Wagenrennen

Titel: Das Wagenrennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Scott
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Wahrheitsgetreuen Chronisten. Wie immer ist er hastig von einem Schreiberling zusammengeschmiert und dann von einem Zauberlehrling kopiert worden. Er rühmt sich damit, über alle wichtigen Ereignisse in der Stadt zu berichten, aber in Wirklichkeit konzentriert er sich hauptsächlich auf die Skandale und berichtet in allen Einzelheiten über die verstohlenen Treffen zwischen Senatorensöhnen und bekannten Schauspielerinnen und dergleichen. Ich bemerke, dass der Verkäufer ausgesprochen fröhlich aussieht, als er seinen Stand aufbaut.
    Dann legt er den Kopf in den Nacken und schreit: »Orgks in Turai! Ein orgkischer Wagen soll im Turas-Gedächtnis-Rennen an den Start gehen!«
    Nur selten hatte der Schrei eines Zeitungsjungen einen derartigen Effekt. Selbst als der Chronist irrtümlich verkündet hatte, dass Prinz Frisen-Lackal an einer Überdosis Boah gestorben wäre, sind die Leute nicht so schnell durch den Regen gelaufen, um sich ein Exemplar des Nachrichtenpapyrus zu sichern. Kein Wunder, dass der Verkäufer so fröhlich ist.
    Als sich herumspricht, dass Rezaz, der Schlächter, wirklich einen orgkischen Wagen für das Rennen gemeldet hat, gibt es sofort einen Aufstand. Die Leute ignorieren den Regen, strömen aus ihren Häusern und verlassen ihre Arbeitsplätze, um ihrem Ärger Luft zu machen. Schon bald sammelt sich ein wütender Mob, und es erheben sich zornige Stimmen. In der Menge befinden sich wie üblich Querulanten und Kriminelle, aber neben ihnen auch viele aufrechte Bürger, die von den schockierenden Nachrichten aufgewühlt sind. Bis auf die Botschafter, die auf dem Gelände des Kaiserlichen Palastes versteckt gehalten werden, hat kein Orgk jemals Turai betreten.
    »Tod den Orgks!«
    »Tötet sie!«
    »Keine Orgks in Turai!«
    »Die Stadt wird verflucht werden!«
    Der oberste Repräsentant des Königs in ZwölfSeen ist Präfekt Drinius. Sein Haus liegt in der Nähe der Wachstation im Ruhepfad, und die Leute marschieren langsam in diese Richtung. Vermutlich sind die Neuigkeiten ohne Wissen der Behörden durchgesickert, weil die Garde auf Schwierigkeiten nicht vorbereitet scheint und nur langsam reagiert.
    Die Armen von Turai sind zwar immer geneigt, einen kleinen Aufstand anzuzetteln, aber es ist nicht leicht, in diesem Regen einen auf die Beine zu stellen. Als die Zivilgarde schließlich das Ausmaß des Problems erkennt und beginnt, sich in dem Gebiet zu sammeln, wird sie wenigstens nicht von irgendwelchen brennenden Gebäuden daran gehindert.
    Wie jeder andere bin auch ich an einem ordentlichen Aufstand interessiert, doch ich sollte wohl besser mit meiner Ermittlung weitermachen. Wenn die Garde das Viertel abriegelt, stecke ich in ZwölfSeen fest. Aber ich muss mich in die vornehmeren Viertel vorarbeiten, wenn ich Carilis finden will. Ich dränge mich durch die Menge. Daran bin ich gewohnt. Erst in diesem Sommer gab es einen gewaltigen Aufruhr in der Stadt, nachdem Harm, der Mörderische, ein besonders boshafter Halb-Orgk-Zauberer, den Acht-Meilen-Terror auf Turai losgelassen hatte. Selbst jetzt sind die Schäden noch nicht ganz repariert. Die Arbeiter werden weitermachen, sobald der Regen aufgehört hat.
    Mir bereitet der Gedanke Kummer, dass meine Rolle in der ganzen Angelegenheit ebenfalls schneller bekannt werden könnte als erwartet, wenn jetzt schon die Pläne des Konsuls durchgesickert sind, einem Orgk-Wagen den Start bei einem Rennen in Turai zu erlauben. Es dürfte mir die Suche nach dem Gebetsteppich erheblich erschweren. Vermutlich sollte ich besser gleich Astral Trippelmond fragen, ob er mir mit einem geeigneten Zauberspruch aushelfen kann, die Rächende Axt davor zu schützen, von einem verärgerten Mob bis auf die Grundmauern niedergebrannt zu werden.
    Die ersten Ziegelsteine fliegen. Die Meute wird allmählich aggressiver, und der Lärm, den sie veranstaltet, genügt, um den alten König Kiben von den Toten aufzuwecken. Schließlich lasse ich den Quintessenzweg hinter mir und biege in den Mond-und-Sterne-Boulevard ein. Der führt mich nach Pashish, einem Viertel, das zwar auch arm, aber gewöhnlich ruhiger ist als ZwölfSeen. Doch selbst hier wälzen sich ärgerliche Menschenmassen über die Straßen. Schwadronen der Garde sind unterwegs und halten mit ihren Schilden und vorgestreckten Speeren den Mob in Schach. Konsul Kahlius ist das Objekt der wüsten Kritik, weil er so etwas zugelassen hat. Einige beschimpfen sogar den König, woraufhin ich über die Klugheit seiner Politik nachdenke.

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