Das Wahre Kreuz
beflügelte mich zusätzlich: Wenn wir das Kreuz Jesu vor den Sarazenen retteten, würde Gott uns aus Dankbarkeit vielleicht – nein, bestimmt – den Sieg zuteil werden lassen!
Unterwegs erfuhren wir von dem Kurier, daß die Sarazenen das königliche Lager in dem Augenblick angegriffen hatten, als König Guido den Befehl gegeben hatte, es auf das südliche Horn zu verlegen. Die dadurch entstehende Unordnung hatte Saladins Kriegern die Sache erleichtert. Der König und die Bischöfe, denen das Wahre Kreuz anvertraut war, wurden in Windeseile von Feinden eingeschlossen. Sie und ihre Truppen fochten einen aussichtslosen Kampf, falls wir nicht rechtzeitig eintrafen.
Wir holten das Letzte aus unseren Tieren heraus –
und kamen rechtzeitig. Dort im Sonnenlicht leuchtete das rote Zelt des Königs. Um dieses und um die anderen Zelte hatten sich die Verteidiger geschart, auf die sich eine wütende Meute von Sarazenen, beritten und unberitten, in immer neuen Wellen stürzte. Der Klang unserer Hörner ließ die Angreifer erstarren. Ihre An-führer gaben neue Anweisungen, und ein Großteil von ihnen schwenkte herum, um Front gegen uns zu machen, die größere Gefahr in ihren Augen. Ein Teil der Muslime versuchte allerdings weiter, die Verteidiger des Zeltlagers niederzuringen.
Wieder verschossen die Sarazenen ihre gefährlichen Pfeile, die aus großer Nähe auch einen Kettenpanzer durchschlagen konnten. So erging es dem Boten, der uns herbeigeholt hatte und nun an d’Ibelins Seite ritt; ein Pfeil fuhr in seine Brust und warf ihn aus dem Sattel. Wer von dem Pfeilhagel verschont wurde, ließ sich nicht beirren. Wir galoppierten stur auf den Feind zu und preschten mitten hinein in den Wall aus Leibern.
Mein Schwert fuhr rechts und links hernieder, schlug einem Sarazenen den rechten Arm mit der Waffe und einem anderen gleich das ganze Haupt ab. Blut spritzte mir ins Gesicht, doch ich empfand weder Ekel noch Reue, sondern wollte nur noch mehr Blut vergießen, so lange, bis an diesem Ort kein Muslim mehr am Leben war.
Ein schneller Blick in die Runde zeigte mir, daß unsere Flügel nicht mit dem Zentrum mithalten konnten.
Ich hörte den Herrn von Nablus auf dem linken Flügel die Seinen mit lauten Rufen antreiben, aber die Ritter steckten im Getümmel fest. Denen auf dem rechten Flügel erging es nicht anders, und so lag es an uns in der Mitte, angeführt von Gérard de Ridefort, den Durchbruch zu erzwingen.
Gilbert, Udaut und ich ritten ganz an der Spitze, zusammen mit drei weiteren Rittern, die nicht, wie wir Templer, weiße Mäntel mit einem roten Kreuz trugen, sondern schwarze Mäntel mit weißem Kreuz: Johanniter. Wir sechs schlugen uns durch die feindlichen Reihen, bis das Zelt des Königs nur noch einen Steinwurf von uns entfernt lag. Wir hätten nicht später kommen dürfen. Die Sarazenen hatten die Kette der Verteidiger durchbrochen. Nur noch wenige Christen standen aufrecht und unterstützten den König und die beiden Bischöfe dabei, das Wahre Kreuz zu verteidigen. Blutflek-ke bedeckten das Kreuz, das der Bischof von Akkon mit einer Hand festhielt. In der anderen hielt er sein Schwert, aber sein Arm war müde.
Als ich einen der Sarazenen auf den Bischof zuga-loppieren sah, gab ich meinem Falben die Sporen. Aber der Sarazene erreichte das Wahre Kreuz zuerst. Der Bischof von Akkon hob seinen Schwertarm, doch er war viel zu langsam. Der flinke Sarazene spaltete dem Bischof mit seiner Streitaxt den Kopf und ließ die Waffe dort stecken. Er wollte etwas ganz anderes haben: das Kreuz!
Gleich darauf riß er es an sich, wendete mit bewundernswerter Geschicklichkeit sein braunes Pferd und galoppierte zurück zu den Seinen, die augenblicklich in Jubel ausbrachen.
»Das Wahre Kreuz!« hörte ich den Bischof von Lydda rufen. »Rettet es vor den Ungläubigen!«
Meine Mitstreiter waren in Zweikämpfe verstrickt; ich war der einzige, der dem Sarazenen seine Beute noch abjagen konnte. Mein Pferd war schnell, und ich beugte mich tief über seinen Hals, um es ihm so leicht wie möglich zu machen. Pfeile schwirrten über mich hinweg, aber Gott war auf meiner Seite.
Nach den Stunden des Kampfes fühlte mich ich am Ende meiner Kräfte, aber ich durfte jetzt nicht versa-gen. Unter Aufbietung aller Reserven richtete ich mich in den Steigbügeln auf und sprang, sobald mein Pferd mit dem des Sarazenen gleichgezogen hatte.
Meine Hände verkrallten sich im Gewand des Gegners, und ich riß ihn mit mir zu Boden. Mein Schwert hatte
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