Das Wahre Kreuz
den Schmerz in seinem Gesicht Bedauern. Weil er sterben mußte? Oder weil er mich nicht hatte töten können?
Ich wandte mich von dem Toten ab, packte die Zü-
gel seines Falben und stieg auf. Am Sattel hing ein Wasserschlauch, und ich gönnte mir einen kräftigen Schluck. Saladins Truppen litten keinen Wassermangel.
Sie hielten die Quellen von Hattin besetzt und konnten außerdem beliebig viel Wasser vom See Genezareth herbeischaffen.
Jetzt erst hatte ich Gelegenheit, mich umzuschauen.
Allzu weit reichte mein Blick jedoch nicht, denn es stand immer noch dichter Rauch über uns. Tote und Verwundete, Krieger und Tiere, wo ich auch hinsah.
Wer von meinen Brüdern noch im Sattel saß, hatte sich seines Helms entledigt. Die Hitze war einfach zu groß, um unter dem eisernen Kokon atmen zu können. Mein Blick begegnete dem eines Ordensbruders mit blutverschmiertem Gesicht. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte ich Gilbert d’Alamar. Als er auch mich erkannte, lenkte er sein Pferd zu mir und musterte mich eingehend.
»Gott sei’s gedankt, du lebst, Roland. Ich war schon in Sorge um dich, als du dem Signal zum Sammeln nicht gefolgt bist. Aber wie ich sehe, warst du beschäftigt. Ein schönes Pferd hast du da gefunden. Von Pferden verstehen die Sarazenen etwas!«
Ich reichte dem Freund den erbeuteten Wasserschlauch, und er trank gierig.
»Was ist mit deinem Gesicht, Gilbert?«
»Nur Kratzer. Ein paar Narben werden wohl bleiben. Was soll’s, wir Templer wollen ja keinem jungen Mädchen den Kopf verdrehen.« Er lachte und gab mir den Schlauch zurück. »Dem Kerl, der mir das beigebracht hat, geht’s viel schlechter. Ich habe ihm mit seiner eigenen Axt den Schädel gespalten. Auch ein schönes Beutestück, was?«
Er zeigte mir eine doppelköpfige Streitaxt, an der noch immer Blut klebte. Dann ritten wir zum Sammel-punkt, wo wir auch Udaut trafen, der sich gerade eine Schulterwunde verbinden ließ.
Gilbert hielt sein Pferd neben ihm an und grinste breit. »Haben die feigen Hunde dich etwa gebissen, Bruderherz?«
Udaut ließ ein unwilliges Knurren hören, bevor er antwortete. »Sie haben mich gebissen, aber ich habe sie gevierteilt!«
Ich gab auch ihm zu trinken und sah aus den Au-genwinkeln unseren Großmeister heranreiten. Mit ernster Miene ließ er den Blick über seine Truppe schweifen, bevor er sich im Sattel aufrichtete, um zu uns zu sprechen.
»Ihr habt tapfer gekämpft, meine Brüder, und den Feind zurückgeschlagen. Auch wenn es uns nicht gelungen ist, seine Reihen zu durchbrechen, haben wir ihm eine empfindliche Niederlage beigebracht. Dadurch haben unsere Hauptmacht und die Vorhut kostbare Zeit gewonnen. Letztere ist unter Graf Raimunds Befehl zum Angriff gegen Saladins rechten Flügel angetre-ten, um die Ungläubigen von den Wasserquellen zu vertreiben!«
Ob dieser Nachricht brachen wir in lauten Jubel aus und stimmten Lobrufe auf Raimund III. an.
Doch keine Stunde später überbrachte uns Balian d’Ibelin, Herr von Nablus und Befehlshaber der Nachhut, höchstselbst eine ernüchternde Botschaft: »Graf Raimund ist mit seinen besten Reitern zwar der Durchbruch an Saladins rechtem Flügel gelungen, aber es scheint, als hätte Saladin genau das geplant. Seine Truppen haben die Lücke sofort geschlossen, und der Widerstand gegen Raimunds nachstoßende Einheiten wurde immer heftiger. Raimund und seine Reiter sind von uns abgeschnitten, und derzeit besteht wenig Aussicht, daß wir wieder eine Verbindung herstellen können. Wir selbst sind im Kampf leider auch nicht so glücklich gewesen wie erhofft. Zwar konnten wir die Sarazenen zurückschlagen, aber wir haben sie nicht bezwungen.«
»Dann müssen wir jetzt einen Großangriff wagen«, schlug Gilbert vor. »König Guido muß seine Hauptstreitmacht ins Feld führen und die Entscheidung erzwingen!« Der Herr von Nablus schüttelte entmutigt den Kopf. »Selbst wenn unser König das wollte, die meisten unserer Fußtruppen würden ihm nicht folgen.«
»Feiglinge!« zischte Udaut mit wutverzerrtem Gesicht. D’Ibelin warf ihm einen kurzen, mißbilligenden Blick zu, bevor er fortfuhr: »Der bisherige Verlauf der Schlacht hat ihnen den Mut genommen. Sie ziehen sich auf den nördlichen Hügel zurück. Die alten Wallanlagen auf den Hügeln bieten uns gute Verteidigungsmöglichkeiten, aber uns fehlt das Wasser.« Er sah in die Runde. »In Anbetracht der Lage bleibt uns nichts anderes übrig, als uns ebenfalls zurückzuziehen. Allein können wir Ritter dem Feind
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