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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Lachen, daß sie mir schon mehr als einmal erklärt hatten, wohin die Reise ging. Sogar Yarrels Stimme klang verdrossen, als er sagte: »Wir werden in die Schule nach Evenor geschickt, nahe den Seen im Hochland von Tarnoch.« Als er keine Antwort erhielt, fuhr er fort: »Wo die Söhne des Hochkönigs erzogen werden, Dummkopf.« Ich hätte gern mehr darüber gewußt, warum wir ausgerechnet dorthin sollten, aber das Lachen der beiden hatte mich schon genug gekränkt, und ich wollte ihnen nicht noch mehr Anlaß bieten. Wie hatte ich denn bloß die vergangenen Tage verbracht? Nun ja, ich ahnte schon, wie, und es war überflüssig, darüber weiter nachzudenken.
    Chance klopfte mir freundlich auf die Schulter. »Ist schon gut, mein Junge. König Mertyn sagte, daß dir der Schock und die Schmerzmittel, die man dir wegen der Brandwunden gegeben hat, noch eine ganze Weile zu schaffen machen würden. Wir freuen uns, daß du bald wieder unter uns weilst, aber laß dir Zeit. Geh jetzt und versuche, etwas zu schlafen, damit du schneller auf die Beine kommst.«
    Das nächste, woran ich mich entsinne, ist die Sonne, die wie zerbrochenes Glas auf den Wellen glitzerte, und an die Rufe der Männer, die von dem überhängenden Heck des Schiffes mit einer Schleppangel nach Stör fischten. Zwei riesige Fische zappelten bereits auf den Deckplanken, umgeben von Matrosen, die fest entschlossen waren, sie in Stücke zu hacken. Ich wußte, daß sie vor allem den Kaviar wollten, die schwarzen Perlen des Stürmischen Meeres, der in allen Gegenden des Südens berühmt war, wie sie erzählten. Später an diesem Tag erreichten wir einen kleinen Seehafen, wo Säcke und Kisten entladen und neue an Bord gehievt wurden, alles mit großem Hallo und viel Bier. Wir aßen in einem Gasthaus gegrillten Fisch mit herben Kräutern, Salat, süße Butter und frisches Brot. Chance freundete sich mit der Köchin an, ich trank Wein, und das Mondlicht schien diamanten durch die Scheiben unseres Kabinenfensters und teilte die Nacht in glitzernde Stücke. Und am nächsten Morgen war ich wieder der alte.
    Die Welt besaß wieder feste Ecken und Kanten, es gab keine seltsam geformten Lücken zwischen diesem Moment und dem nächsten, ich machte mir Gedanken darüber, wohin wir reisten und welchen Weg unsere Reise nahm. Ich war erstaunt über die Größe des Sees, als ich ihn sah. Von der Schulstadt aus hatte er ziemlich klein gewirkt, im Süden begrenzt durch die Reihe kleiner Inseln, die ein vorgeschobenes künstliches Ufer bildeten. Hier draußen auf dem See sah man keine Grenze außer dem Horizont, eine funkelnde Linie, die stets in gleicher Entfernung zu uns zu bleiben schien. Diese Begrenzung der sichtbaren Welt war von Wolken eingefaßt, die rot im Licht der untergehenden Sonne glänzten. Unser Kapitän betrachtete den Dunst, das Gesicht gerunzelt zur Seite geneigt. »Ich rieche Wind«, sagte er. »Tyeberstadt liegt zwei Stunden entfernt unten an der Küste. Weiter werden wir heute nicht kommen.«
    Er irrte. Der Wind frischte auf und trieb unser Schiff weiter und weiter auf den See hinaus, rollend und schaukelnd. Gegen Abend dann, als der Wind abflaute, hörte man ein singendes Schwirren und einen lauten Schrei des Steuermanns. Wie es aussah, war etwas Wichtiges in die Brüche gegangen, und unser kleines Schiff konnte nicht mehr gesteuert werden. Während Chance und Yarrel schliefen und ich es versuchte, klapperten Füße und Werkzeuge über uns, als die Matrosen den Schaden zu beheben versuchten. Ich ging an Deck, um die dahintreibenden Wolken zu betrachten, und bemerkte die verhüllte Gestalt des Sehers. Er wandte mir sein konturloses Gesicht zu und fragte durch den Schleier, ob ich Peter sei, der Sohn von Mavin. Nein, sagte ich, ich bin Peter aus Mertynhaus, ohne Familie. Er betrachtete mich lange genug, um mich unruhig zu machen, also stieg ich wieder in die enge Koje hinunter und schlief schließlich ein.
    Am Morgen stellte sich heraus, daß die Reparatur erfolgreich gewesen war, und wir segelten in einem Wind weiter, der noch stürmischer war als der am Vortag, aber nur um ein schwarzes Segel am unruhigen Horizont zu entdecken. Erschreckte Rufe ertönten von allen Seiten.
    »Pfandleiher!« rief Chance im Chor mit den anderen. »Glaubt man’s denn? Küstenschiffe werden nicht von Pfandleihern gekapert.«
    »Im Augenblick befinden wir uns nicht an der Küste«, stellte ich fest. Diese Worte beruhigten ihn nicht gerade. Als die Stunden vorübergingen, kamen die

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