Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
aus der Bude unten vor Scham hätte erröten müssen, und viele funkelnde Spieler, die aus der Dunkelheit zum Tisch strömten, an dem mein Freund tafelte, auch der große Dämon und die beiden Tragamore aus Bannerwell, die Yarrel mir gezeigt hatte, und alle tranken und aßen zusammen, während die Nacht in einem Strudel aus Musik und Licht um uns herumwirbelte.
Bis sich plötzlich inmitten des Trubels etwas in mir erhob und von dannen schritt. Es war, als ob Peter seinen dahingerekelten Körper am Tisch zurückließe, während sein Geist woanders hinging, um von einem stillen Ort weit oben alles zu betrachten. Sein Geist sah den Dämon auf der obersten Stufe eines Absatzes der Marmortreppe stehen, den ersten Tragamor einen halben Absatz darunter und den zweiten finster brütend neben einer Trauerweide auf der unteren Terrasse. Im Schein der Fackeln, die hinter ihm brannten, fiel der lange geflügelte Schatten des Dämons auf den Gehweg unterhalb der Terrasse, wo rotes Licht wie Blut schwappte. Auf diese Stelle trat eine einsame, maskierte, aber unverwechselbare Gestalt. König Mertyn. Die warme Nachtluft wurde frostig wie im tiefsten Winter, und die Geräusche des Festivals verklangen. Mertyn schaute hoch, sah Mandor aufstehen und hörte ihn rufen: »Ich fordere dich heraus, König!«
Der König erhob nicht die Stimme, trotzdem verstand ich ihn so deutlich, als hätte er in mein Ohr gesprochen. »So, Prinz Mandor. Deine Botschaft, dich hier zu treffen, enthielt nichts von einer Herausforderung.«
Der Teil Peters, der beobachtete, starrte hinab, außerstande, sich zu rühren oder zu rufen. Sah der König denn nicht, wer sich da postiert hatte? Dämon und Tragamor, Substanz und Schatten. Das Wahre Spiel forderte ihn heraus, und die Nacht selbst vibrierte vor Kälte. Königsblut Vier, hier und jetzt, an diesem Ort und nirgends anderswo. Die schätzbare Domäne. Doch würde Mandor wirklich so unhöflich sein? Doch nicht jetzt … Es war Festival.
Der betrunkene Peter streckte die Hand aus, zerrte an Mandors Ärmel. »Nein, nein, Mandor. Es ist … unhöflich …« Die Hand, meine Hand, wurde von einem Kettenhandschuh beiseite gefegt, so grob, daß sie blutend vor dem betrunkenen Peter auf dem Tisch liegenblieb, während mein anderes Ich von oben herabstarrte.
Der König rief wieder: »Ist es nicht verboten, während des Festivals und in der Schulstadt zum Wahren Spiel herauszufordern, Mandor? Hast du vergessen, was du gelernt hast?«
Triumphierendes Lachen antwortete ihm. »Viele Dinge sind verboten, Mertyn. Sehr viele Dinge. Trotzdem tun wir sie.«
»Wie wahr. Nun, Prinz, wenn du es so willst – ich nehme die Herausforderung an. Hier ist mein erster Zug.«
Und hinter einem der kristallenen Springbrunnen, wo er sich die ganze Zeit über vor unseren Blicken verborgen hatte, trat der Magier hervor, über den ich mich so lange gewundert hatte, kam mit langen Schritten ins Licht, bis er hinter dem König stand, stumm wartend, klar wie Glas, und tief in sich tragend was immer man ihm an Schrecklichem zum Verwahren gegeben hatte.
Peter, der Betrunkene, fühlte, wie Mandor erstarrte, sah, wie sich die Hand mit dem Kettenhandschuh mit lautem Klirren zur Faust ballte. Peter, der Betrunkene, schaute auf und sah, daß Schweiß auf des Prinzen Stirn perlte und daß eine Ader hinter seinem starren Auge pochte. Licht quoll um den unten wartenden Magier empor, mit unaufhaltsamer Macht, wie sich Wasser hinter einem Damm staut. Peter, der Beobachter, wußte, daß diese Macht beim nächsten Zug freigesetzt werden würde. Peter, der Betrunkene, verstand nichts, hockte nur betäubt und elend vor dem verschütteten Wein und den Überresten des Essens, als Prinz Mandor sich über ihn beugte und sagte: »Peter … ich möchte nicht … unhöflich sein.« Seine Stimme brach beinahe vor Anspannung. Woher nahm er die enorme Kraft, daß sie so leicht und freundlich klang? »Geh hinunter und sag Spielmeister Mertyn, daß ich mir nur einen Spaß erlaubt habe. Lade ihn zu einem Gläschen Wein ein …«
Oben stieß Peter, der Beobachter, einen stummen Schrei aus. Peter, der Betrunkene, stolperte hoch, torkelte an dem Dämon vorbei, in dessen Gesicht unter dem halben Helm er einen Ausdruck von – ja, was? – Verachtung zu lesen glaubte. Lief dann die große Marmortreppe hinab in den Garten und taumelte mit offenem Mund, die Augen starr auf Spielmeister Mertyn gerichtet, auf den rotüberfluteten Gehweg, als von oben ein Aufschrei
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